Apples App-Store ist gescheitert

Der Softwareverkauf über einen zentralen Store hat Vorteile. Doch die gravierenden Nachteile überwiegen. Sechs Vorschläge, was Apple tun muss.

Beim Start des Apple App-Store im Sommer 2008 war ich beeindruckt. Die Idee überzeugte. Ein kuratierter Laden, der eine Mindestqualität seines Sortiments garantiert, der das Angebot übersichtlich gliedert, die Auslieferung sehr einfach macht und der eine integrierte Bezahlmöglichkeit bietet: Das war ein entscheidender Fortschritt. Ich hätte mir Während meines kurzen Ausflugs in die Welt der Softwareentwicklung so etwas gewünscht!

Meine Erfahrungen in diesem Bereich waren sehr durchzopgen: Ich habe anfangs der Nullerjahre einige Windows-Programme entwickelt und zum Verkauf angeboten. Namentlich den Game Designer, mit dem sich individualisierte Spieldateien für mein Game Clickomania basteln lassen. Und Address Harvester, ein Utility für das Sammeln von Mailadressen aus lokalen Mailadblagen.

Apple ruht sich hier auf den Lorbeeren aus. (Bild: PhotoAtelier/Flickr.com)

Ich habe diese Software über den Mikropayment-Dienst Kagi.com vertrieben. Das Problem war, dass dieser die gekaufte Software nicht selbst auslieferte. Ich musste das von Hand tun und zwar von Hand (alles andere hätte einen Riesen-Entwicklungsaufwand nach sich gezogen). Allein um diesen Aufwand abzudecken, musste der Verkaufspreis prohibitiv hoch angesetzt werden.

Apps günstig zu verkaufen, rechnet sich nicht

Mit dieser Lösung war es insbesondere unmöglich, ein Programm wie das Zwischendurch-Spiel «Clickomania» für einen oder zwei Franken zu verkaufen. Wäre das damals möglich gewesen, dann wäre ich heute wohl Multimillionär – selbst wenn nur jeder zehnte Downloader das Spiel effektiv auch gekauft hätte.

Mit anderen Worten: Der Apple-Store war, trotz seiner Nachteile, eine Riesenchance für unabhängige Softwareentwickler und eine Chance für Gelegenheitsprogrammierer, ihr Hobby zum Beruf zu machen.

Aus heutiger Sicht ist die Bilanz ernüchternd: Kaum jemand verdient Geld mit dem App Store (ausser Apple, natürlich). Der App-Store produziert wenige Hits, während die Masse der Entwickler vor sich hin dümpelt.

Ein grosser Teil der Entwickler verdient nichts oder fast nichts

Das zeigt die Studie Developer Economics Q1 2015: State of the Developer Nation:

Das Wachstum bei den direkten Einnahmen aus den App-Stores geht zurück. Da diese direkten Einnahmen die bevorzugte Einkommensquelle für Hobbyisten, Experimentatoren und Erfolgsjäger sind, die 60 Prozent der mobilen Entwicklerschaft ausmachen, wird der Konkurrenzkampf härter.
17 Prozent aller Entwickler, die Geld verdienen möchten, erzielen überhaupt keinen App-bezogenen Umsatz. Weitere 18 Prozent generieren weniger als 100 US-Dollar pro Monat und 17 Prozent – insgesamt 52 Prozent – nehmen weniger als 1000 US-Dollar pro Monat ein.

Von denjenigen Entwicklern, die iOS priorisieren, befinden sich 37 Prozent unter der Armutsgrenze. Sie erzielen ein Einkommen unter 500 Dollar. Am Anderen Ende der Einkommensverteilung finden sich jene 39 Prozent, die auf der iOS-Plattform mehr als 5000 Dollar verdienen.

Die Einkommensverteilung bei Android-fokussierten Entwicklern ist nicht wesentlich anders als bei denen, die sich auf Blackberry 10 oder Windows Phone konzentrieren. Es ist sogar so, dass vorab für iOS arbeitende Entwickler bei Android grössere Einnahmen erzielen, als solche, die Android bevorzugen.

Apple hat zwar ein Ökosystem geschaffen, das Verdienstmöglichkeiten für Entwickler verspricht. Doch seit 2008 ruht sich Apple auf den Lorbeeren aus und tut nichts dafür, dass es den Entwicklern gutgeht und dass eine möglichst breite Anbieterschaft partizipieren kann. Im Gegenteil: Neue, weniger bekannte Apps sind schwer zu finden, ihre Entdeckbarkeit (Discoverability) ist schlecht. Der Store spühlt Hits nach oben. Denn, so besagt es schon eine alte Lebensweisheit: Der Teufel scheisst auf den grössten Haufen.

Es gibt beim Preis ein Race to the bottom. Die Nutzer des App-Store werden nicht dazu «erzogen», dass eine gute App ihren Preis hat. Im Gegenteil: Man lockt mit vermeintlich kostenlosen Apps, die dann über In-App-Käufe erst in einen brauchbaren Zustand versetzt werden müssen.

Die Free-to-Play-Mechanismen schmälern den Spass

Vor allem bei den Games sieht man dieses Spiel: Die Titel sind heute allermeistens gratis. Dafür verwenden die Apps dann mehr oder weniger aufdringliche Free-to-Play-Mechanismen aus der Tasche zu ziehen. Belohnt werden Entwickler, die diese besonders aggressiv anwenden. Die Charts der umsatzstärksten Apps wird bei iOS seit Monaten von Titeln wie «Clash of Clans», «Candy Crush Saga», «Hay Day» und «Game of War» angeführt.

Es ist ja nicht so, dass sich das nicht ändern liesse. Apple könnte, wenn denn der Wille vorhanden wäre, den App Store markant verbessern.

Tipps für Verbesserungen

Das wären einige der sinnvollen Massnahmen:

  • Mehr brutto vom netto. Der Anteil, den Apple nimmt, liesse sich problemlos reduzieren. Apple nimmt seit dem Start 30 Prozent, obwohl der App Store seinen Umsatz seit 2008 von quasi 0 auf über 10 Milliarden gewachsen ist und die Umsätze der Filmindustrie hinter sich gelassen hat. Siehe Bigger than Hollywood.
  • Bessere Discoverability. Sie liesse sich für kleiner Entwickler verbessern, zum Beispiel, indem unabhängige App-Besprecher im App Store Empfehlungen abgeben. Da würde ich gerne meinen Senf beisteuern.
  • Testversionen. Das Problem bei teuren Apps ist, dass man die Katze im Sack kauft. Das liesse sich über Testversionen verhindern, bei denen der Kaufpreis erst nach einer Woche fällig wird. In dieser Zeit hätte man als Kunde die Möglichkeit, die App zurückzugeben, wenn sie einem nicht gefällt.
  • Bezahlte Updates. Es gibt keine Mechanismen für Entwickler, dauerhafte Einnahmen zu generieren. Updates sind, so die Wahrnehmung der Kunden, kostenlos. Das ist für kleine Updates selbstverständlich richtig. Doch grosse Releases sollten kostenpflichtig angeboten werden können. Vielleicht mit einem Treuerabatt, aber auf alle Fälle auf eine Weise, dass das Publikum versteht, dass die kontinuierliche Entwicklung einer App auch etwas wert ist.
  • Die In-App-Käufe abschaffen oder stärker reglementieren. In-App-Käufe werden heute wie ausgeführt oft missbräuchlich eingesetzt. Apple sollte sie nur erlauben, wenn sie dazu dienen, einen echten Mehrwert in einer auch ansonsten brauchbaren App zu schaffen. Aus meiner Sicht wäre es aber auch ein Abschaffen der In-App-Käufe kein Verlust.
  • Ein Miet- oder Abo-Modell. Software zu mieten, ist zwar nach wie vor ungewohnt, hat aber durchaus seine Vorteile. Darum sähe ich ein Saas-Modell auch für den App-Store. Natürlich ist nicht für jede popelige 0815-App – aber für solche Produkte, die rasant weiterentwickelt werden oder im Betrieb teuer und aufwändig sind.

Kommentar verfassen