Klassische Bildbearbeitung, von hinten aufgezäumt

Luminar ist eine klassische Bildbearbeitung wie Photoshop, in der diverse Bedienkonzepte aus Massenbearbeitungs-Werkzeugen wie Lightroom zu finden sind. Für Leute, die schnell arbeiten wollen, eine gute Sache.

Hier fand einer meiner lieben Leser, ich müsste doch auch Luminar noch besprechen. Es handelt sich um eine Bildbearbeitungssoftware, die es für 69 Euro für Windows und Mac gibt. Ich habe mir hier zwar vor allem RAW-Konverter angesehen – was Luminar nicht zu sein scheint. Wikipedia beschreibt das Produkt als «eine universelle Bildbearbeitungs-Software».

Aber ich will hier auch nicht päpstlicher als Jorge Mario Bergoglio sein. Abgesehen davon wirbt die Software mit Dingen wie «intelligenten Filtern». Und wer mich kennt, weiss, dass ich Programmen schwer widerstehen kann, die sich wegen ihres digitalen Denkvermögens selbst loben. Ich konnte auch Photolemur nicht widerstehen, der sich mit Worten wie «Automagic Technology» und «Artificial Intelligence» selbst gelobt hat. Wie es herausgekommen ist, weiss man ja.

Mit Filtern und Presets werden Digitalfotos schön.

Luminars Oberfläche erinnert an Lightroom: Einerseits ist sie schwarz, andererseits hat sie eine vertraute Aufteilung mit einer Leiste am rechten Rand und einer Art Filmstreifen am unteren Rand. Doch es wird sofort klar: Das ist tatsächlich kein RAW-Konverter, sondern ein klassisches Bildbearbeitungsprogramm: Man lädt ein Foto, bearbeitet es und speichert es wieder.

Es gibt zwar den Befehl Stapelverarbeitung, aber keine Funktionen für den Import ab Kamera und die auf Masse getrimmte Nachbearbeitung, für die Verwaltung grosser Kataloge oder eine nicht destruktive Arbeitsweise. Der Filmstreifen am unteren Rand zeigt auch nicht andere Fotos in der aktuellen Auswahl, sondern Effekte.

Eine Art Zwitter aus Lightroom und Photoshop

Immerhin: Die werden Lightroom-mässig Presets genannt. Wir kommen an dieser Stelle zum Schluss, Luminar als eine klassische Bildbearbeitung mit einem von Lightroom inspirierten Bedienkonzept zu bezeichnen. Böse Zungen würden vielleicht auch von einem Zwitter sprechen. Jedenfalls wird klar: Es gibt nichts, was es nicht gibt.

Die Menüleiste mit Befehlen wie Ebenen, Filter, Werkzeuge und Fenster erinnert ganz an Photoshop. Doch die scheint nicht für die typische Arbeitsweise eher nebensächlich zu sein. Mit Luminar wählt man entweder vom unteren Rand ein Preset, die in die Kategorien Basic, Dramatic, Outdoor, Portrait, Street, Travel und Areal Inspired by DJI (gemeint ist der Drohnenhersteller) sortiert sind.

Oder man fügt am rechten Rand über den gleichnamigen Befehl einen Filter hinzu. Von diesen Filtern gibt es jede Menge. Sie sind in den fünf Kategorien Wesentliches, Problemlöser, Kreativ, Professional und Werkzeug untergebracht.

Diese Filter organisieren sich im Detail wie folgt:

  • Bei Wesentliches findet man etwa Dinge wie Entwickeln, Schwarz-Weiss-Umwandlung, Sättigung/Dynamik, Struktur und Vignettierung.
  • Problemlöser hält die Befehle Bildrauschen entfernen, Detailverbesserung, Dunst entfernen, Farbstich entfernen, Grünverbesserung, Klarheit, Polarisationsfilter und Schärfen bereit.
  • Kreativ umfasst die Befehle Bildleuchten, Crossentwickung, Dramatisch, Farbtonverschiebung, Glanz/Wärme, Goldene Stunde, Körnung, Matt-Lock, Nebel, Orton-Effekt, Sanfter Fokus, Sanftes Leuchten, Teiltonung und Texturüberlagerung.
  • In der Kategorie Professional stecken Dinge wie Abwedeln und Nachbelichten, Farbbalance, Fotofilter, HSL, Kurven, LUT-Mapping und Mikrostruktur.
  • Und bei Werkzeug schliesslich gibt es klassische Instrumente, namentlich Belichtung, Farbtemperatur, Helligkeit/Kontrast, Lichter/Tiefen, Weisstöne/Schwarztöne und Zwei-Farben-Filter.

Damit wird der Unterschied zwischen Filter und Preset klar: Ein Filter ist eine grundlegende Bearbeitungsfunktion. Wenn man ihn auswählt, erscheint er mit neutralen Einstellungen im Arbeitsbereich.

Bilder mit bestimmten Looks ausstatten

Ein Preset umfasst mehrere Filter mit bestimmten Voreinstellungen. Es ist dazu da, die für einen bestimmten Effekt oder Look notwendigen Entwicklungseinstellungen aufs Bild anzuwenden. Die beteiligten Parameter passt man mithilfe den dazu gehörenden Reglern so an, wie es einem gefällt. Wenn man einen Filter oder ein Preset hinzufügt, erscheinen in der Leiste am rechten Rand die dazu gehörenden Regler. Beim Kreativfilter Dramatisch sind das fünf: Stärke, Kontrast und Lokaler Kontrast, Helligkeit und Sättigung, plus der Regler Filter-Stärke, der das Resultat als Ganzes von 0 bis 100 Prozent steuert.

Man kann mehrere Filter (oder den gleichen Filter mehrfach) hinzufügen, ihre Reihenfolge ändern und als eigenes Preset abspeichern. Es ist auch möglich, mehrere Filter, die häufig zusammen verwendet werden, in einem Rutsch im Arbeitsbereich zu platzieren. Dazu klickt man in dem Feld, in dem standardmässig der Befehl Arbeitsbereich löschen angezeigt wird, auf das nach unten zeigende Pfeilchen und wählt aus den Arbeitsbereichen Professionell, Schnell & Genial, Wesentliches, Luftbildfotografie, Schwarz-Weiss, Landschaft, Portrait und Strasse die aus, die man benötigt. Hat man Filter von Hand ausgewählt, kann man dieses Arrangement auch als eigenen Arbeitsbereich speichern.

Presets lassen sich nicht kombinieren

Es scheint aber nicht möglich, mehrere Presets zu kombinieren – zumindest nicht auf den ersten Blick: Wählt man ein Preset aus, werden die vorherigen Arbeitsschritte zurückgesetzt. Man kann aber ein Preset durch eigene Filter ergänzen.

Wird es besser? Der Schiebregler zeigt links das Original und rechts die bearbeitete Fassung.

Der Trick ist jedoch, im Abschnitt Ebene in der Liste rechts unter dem Histogramm eine neue Nachbearbeitungsebene einzufügen. Auf der zusätzlichen Ebene kann ein weiteres Preset angewandt werden. Diese Ebene kann in der Deckkraft reduziert, mit einer Maske ausgestattet und ausgeblendet werden. Und, via Rechtsklick und Mischen, lässt sich auch die Verrechnungsmethode ändern, zum Beispiel auf Abdunkeln, farbig nachbelichten, negativ multiplizieren oder ineinanderkopieren: Photoshop-Nutzer dürften ein kleines Déjà-vu haben.

Das gilt auch für die Werkzeuge, die im gleichnamigen Menü stecken: Frei transformieren, Klonen und Stempeln und Radieren sind typische Aufgaben einer klassischen Bildbearbeitung. (Zuschneiden etwas weniger.)

Auf schnelles Arbeiten ausgelegt

Fazit: Luminar stellt tatsächlich eine spannende Kombination von Photoshop- und Lightroom-Arbeitstechniken zur Verfügung. Man könnte auch sagen, klassische Bildbearbeitung, von hinten her aufgezäumt (wobei mit «hinten» das moderne, Lightroom-mässige Bildbearbeitungsparadigma gemeint ist). Die Software macht, auch dank der Masken, Dinge möglich, die im klassischen RAW-Konverter mit seiner nicht destruktiven Arbeitsweise nicht möglich sind – und trotzdem bleibt die schnelle, auf die Foto-Nachbearbeitung ausgelegte Arbeitsweise erhalten.

Das ist nicht verkehrt: Auch Photoshop wird von vielen Nutzern hauptsächlich für diesen Zweck benutzt. Und mir gefällt die Organisation der Filter und die Flexibilität der Arbeitsbereiche. Das Angebot an Presets ist okay, aber sicher noch ausbaufähig. Und was die «Intelligenz» der Filter angeht: Geschenkt.

Luminar ist nicht so universell benutzbar wie eine klassische Bildbearbeitung: Für eine Komposition, ein Mockup oder etwas in der Art ist Photoshop weiterhin die bessere Wahl. Doch für effektvolle Foto-Nachbearbeitung ohne allzu ambitionierte Retusche eignet sich Luminar hervorragend – und wer Effekte à la Instagram nicht abgrundtief hasst, Instagram selbst aber als zu limitiert erachtet, für den sind die 69 Euro für diese Software gut investiert.

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