Wann hat der Treiberwahnsinn ein Ende?

Warum müssen wir uns auch im Jahr 2018 bei Windows noch immer mit Gerätetreibern herumärgern? Die sind nicht nur fehleranfällig und pflegeintensiv, sondern auch eine Quelle von Problemen und Instabilitäten.

Das letzte Ausgabegerät, mit dem man keinen Treiber-Ärger hatte. (Bild: rawpixel.com/Pexels, CC0)

Ein Audiotreiber, der 350 MB gross ist und eine halbe Stunde für die Installation braucht? Das gibt es, wie unten stehender Tweet zeigt. Grafiktreiber können auch locker mal über ein Gigabyte gross sein. Und selbst die Software für einen popeligen Tintenstrahldrucker ist heute so gross wie ein Betriebssystem vor zwanzig Jahren.

Da fragt man sich: Warum denn bloss? Warum schaffen es diese Hersteller, derartig gigangische Treiber zu fabrizieren? Auf Reddit gibt es zum Beispiel eine solche Diskussion:

Because there’s around 2 decades of support and fixes for a large number of API revisions and a huge amount of games of varying quality programming, and a few generations of GPUs with different architectures and all their different models/configurations.

Viel Altlasten, eine enorme Zahl von Funktionen, und, bei Grafiktreibern, auch Anpassungen an individuelle Spiele.

Grafiktreiber sind eine, aber muss man auch wegen dem Soundtreiber ein Fass aufmachen?

Einverstanden: Grafiktreiber sind ein Spezialfall. Die sind auf extreme Leistung getrimmt und haben viele hardwarespezifische Funktionen, die beträchtliche Anforderungen an die Software stellen. Aber ein Treiber für die Sound-Hardware? Die ist beim typischen PC nun nicht gerade sonderlich high-endig ausgelegt und es braucht keine Maximalperformance. Moderne Betriebssysteme bringen von Haus aus hervorragende Unterstützung für eine sehr breite Palette an Geräten mit. Ein minimalistischer Treiber würde völlig ausreichen.

Oder es ginge auch ganz ohne. Denn nach menschlichem Ermessen liessen sich sehr viele Geräte mit einem universellen Standardtreiber verwenden. Die allermeisten Mäuse und Tastaturen braucht man nur anzuschliessen, weil sie so funktionieren, wie alle anderen Mäuse und Tastaturen auch. Plug and Play heisst das bei Microsoft, und es gibt das (theoretisch) schon seit Windows 95.

Wie im Jahr 1994

Praktisch funktioniert es bei vielen USB-Geräten inzwischen ganz gut. Bei vielen anderen Geräten installiert man Treiber, als ob wir noch immer im Jahr 1994 leben würden.

Der Grund ist, dass viele Hersteller zu ihrer Soundkarte eigene Konfigurationsprogramme mitliefern. Mit denen kann man die 15 Raumklang-Lautsprecher, die man nicht besitzt, optimal einrichten.

Natürlich geht es hier vor allem ums Marketing: Die Hersteller wollen im Betriebssystem mit ihren eigenen Programmen präsent und sichtbar sein. Deswegen verwenden sie nicht die Funktionen des Betriebssystems, sondern liefern gigantische eigene Softwarepakete mit – egal, ob die nun einen wirklichen Mehrwert bieten und vom Kunden geschätzt werden.

Das ist ein Unfug, der nicht nur unnötig Festplattenspeicher frisst, sondern auch die Systemstabilität gefährdet und Windows-Computer unnötig kompliziert macht. Konkret:

  • Die Treiber sind nicht immer hundertprozentig systemkonform. Manche sind auch üble Hacks. Das kann zu Konflikten mit dem Betriebssystem oder mit anderen Treibern führen.
  • Die Treiber lassen sich meist nicht vernünftig deinstallieren. Das kann dazu führen, dass Treiberleichen wie Zombies ihr Unwesen treiben.
  • Wenn man das Betriebssystem aktualisiert, bleiben alte Treiber zurück, die nur noch halb oder überhaupt nicht mehr kompatibel sind. Das ist mit ein Grund, weswegen die Zuverlässigkeit bei Windows über die Jahre abbaut.
  • Oft werden durch die mitgelieferten Konfigurationsprogramme Funktionen des Systems dupliziert: Als Nutzer sucht man Einstellungen beim Betriebssystem, die man in der Software des Herstellers treffen müsste. Wenn es an beiden Orten entsprechende Konfigurationsoptionen gibt, ist nicht klar, welche den Vorrang geniesst und wie sich widersprüchiche Einstellungen verhalten.

Die Zertifizierung ist auch nicht das Gelbe vom Ei

Microsoft hat versucht, durch Treiberzertifizierungen einen Wildwuchs zu verhindern. Doch da das aufwändig und teuer ist, verzichten viele Hersteller lieber darauf.

Ich bin überzeugt, dass auch in diesem Fall ein Berechtigungssystem – wie im Beitrag Eine Sandbox für Windows beschrieben – weiterhelfen könnte. Es sollte für einen Hersteller nicht unmöglich sein, eigene Treiber mit seinem Gerät zu verwenden. Aber die Hürden sollten so hoch liegen, dass ein Hersteller nur aus triftigen Gründen auf einen eigenen Treiber setzen würde: Zum Beispiel dann, wenn das Betriebssystem erforderliche Funktionen schlicht nicht zur Verfügung stellt.

Die Hürden sollten aber so hoch liegen, dass es für einen typischen Drucker nicht in Frage käme, den Standardtreiber nicht zu verwenden. Denn Drucken ist wirklich keine Hexerei: Man muss den Inhalt einer Seite (als PDF oder XPS) an den (richtigen) Drucker übermitteln und ihm sagen, wie gross, wie oft und in welcher Aufbereitung (Farbe, Duplex, Papierschacht) er sie ausgeben soll. Das ist alles. Wirklich.

2 Kommentare zu «Wann hat der Treiberwahnsinn ein Ende?»

  1. Da ich wohl eine “Teilmitschuld” am Artikel habe möchte ich das Ganze noch präzisieren wie es zum Tweet kam: HP verwendet natürlich auch die vorhandenen Standardtreiber.
    Da ich aber ein explizites Problem damit hatte, versuchte ich den HP Treiber zu installieren – die Installation schlug dann nach 40 Minuten auch fehl.
    Windows 10 macht hier zu 99% einen echt guten Job und man kann im Normalfall auf die Herstellerspezifischen Treiber verzichten.

    Liebe Grüsse Philipp

  2. Das Problem sind nicht unbedingt die Treiber, das Problem ist die mitgelieferte Software. Beim Drucker gibt es gleich noch ein Tool für Tintenbestellungen dazu, beim Multifunktionsgerät eine Scan-Anwendung (obwohl das über WIA gehen würde). Und bei der Grafikkarte ein Tool für die Konfiguration mehrere Monitore (obwohl Windows das nativ kann).

    Deshalb: am besten Treiberpaket herunterladen, entpacken, den Treiber über den Gerätemanager installieren und den Rest wieder löschen.

    Für HP Drucker gibt es übrigens einen “Universal Print Driver”: unterstützt alle Drucker und ist komprimiert nur 18 MB gross. Nur leider wird der nicht so prominent angeboten.

    Ein weiteres Problem ist, dass viele Druckfunktionen wie “mehrere Seiten auf einem Blatt” nicht von Windows angeboten werden, sondern vom Treiber selbst. Es reicht deshalb nicht nur eine kleine Datei, die Windows sagt “Drucker XY, 3 Schächte”, sondern es muss eine richtige Anwendung sein.

    Wobei ich sagen muss, dass es seit Windows 10 eigentlich erträglich geworden ist. Die grossen Hersteller liefern ihre Treiber mit Windows aus. Und Windows ist nicht mehr so heikel, dass man nach einem Umzug von SCSI auf SATA per Boot-CD in der Registry den Festplattentreiber umstellen muss. 🙂

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