Infografiken! Storytelling!

Venngage ist eine Webanwendung für Infografiken, die zwar diverse Ungereimtheiten aufweist, aber trotzdem eine Empfehlung wert ist.

Da gibt es diese eine Webanwendung für Infografiken, die begeisternde Resultate verspricht: «Make Infographics That People Love», heisst es auf der Website. Und: «Tell your stories and present your data with infographics.» Mit anderen Worten: Hier wird der eine grosse Trend, Daten ansprechend aufzubereiten, mit einem zweiten grossen Trend verbunden: Dem Storytelling.


Die hier besprochene Grafik. Auch hier zu finden.

Und die beiden Dinge werden mit einem Megatrend verbunden, dem The Cult of the Amateur. Denn einfach sei die Sache auch noch, wird auf venngage.com verkündet. Drei Schritte braucht es: Erstens wählt man seine Vorlage. Zweitens füllt man Daten und Infos ab und reichert die Sache mit Bildern an. Drittens: Man passt Farben und Schriften an. Fertig.

Das klingt so einfach, das ich ein bisschen misstrauisch werde. Ich mag schöne Infografiken – und wenn man sich herausragende Beispiele ansieht (hier, hier oder hier), dann sind das eben keine Produkte ab Stange, sondern Unikate, nur deswegen entstehen konnte, weil ein kreativer Kopf ans Werk gegangen ist, der über ausgiebige handwerkliche Fähigkeiten verfügt.

Bilder und Illustrationen ab Stange müssen erlaubt sein

Aber gut, nicht immer muss eine Grafik einzigartig sein. Blogger wie ich illustrieren ihre Beiträge schliesslich auch nicht immer mit Fotos, die zu diesem Zweck angefertigt wurden, sondern oft mit Bildern ab Stange. Darum soll Venngage unvoreingenommen untersucht werden. Als Beispiel anhand der Film- und Kinostatistik 2017 des Bundesamts für Statistik: Da könnte man nun auch einige der Daten, zum Beispiel die erfolgreichsten Schweizer Filme, die Entwicklung bei der Zahl der Kinosäle, der Projetionstechnik, dem Marktanteil des Schweizer Films, etc. zu einer dieser langen Infografiken verarbeiten, die seit ein paar Jahren so populär sind und die von Venngage auch bebloggt werden: 6 Types Of Long Form Infographic Templates. (Noch eines dieser Buzzwords: Longform)

Wie auch immer, ich bin schon zufrieden, wenn ich eine Grafik einigermassen ansprechend hinbekomme. Ich gebe also bei Filmangebot und Nachfrage nach Herkunftsland, Sprachgebiet, Sprachfassung, Projektionsart (2D/3D) und Genre an, dass ich an den Sprach- und Projektionsvarianten interessiert bin und lade mir die Excel-Datei herunter.

Die Arbeitsoberfläche ist überschaubar.

Nun geht es darum, bei Venngage die richtige Vorlage zu finden. Das Angebot ist üppig: Es gibt 22 Kategorien, die nebst Infographics auch Dinge wie Präsentationen, Mindmaps, Broschüren, Poster, Flyer, Newsletter, Karten, Einladungen und Diagramme enthalten. Die Kategorie Infographics stellt die Unterkategorien Informational, Statistical, Process, Geographic, Timeline, Comparison, List, Fun Data, Tutorial, Non Profit, Human Resources und Real Estate zur Vefügung. Da kommt schon einmal Verwirrung auf: Wieso spielt es beim Grafiktyp eine Rolle, ob es sich um eine kommerzielle oder eine nonprofit-Angelegenheit handelt? Was ist Fun Data?

Wie erzeugt man Betroffenheit?

Klickt man die Kategorien an, wird es ein bisschen klarer. Im Nonprofit-Bereich findet man grosse Kinderaugen und andere grafische Elemente, die dazu da sind, Betroffenheit zu erzeugen. Bei den lustigen Grafiken geht es eher um Trivia, zum Beispiel darum, wie viele Leute noch nie in ihrem Leben einen Telefonanruf erhalten haben und was die häufigsten ungewöhnlichen Todesursachen sind. Es geht bei den Infografiken nicht nur darum, die Zahlen adäquat darzustellen. Es ist auch wichtig, anhand des gestalterischen Beigemüses die richtige Stimmung beim Betrachter zu erzeugen.

Ich will jedoch eine relativ nüchterne Grafik erstellen und sehe mich daher in den klassischen Kategorien um: Informational (informell) zeigt Vorlagen, die nicht zahlengetrieben sind, sondern eine Handvoll Fakten auf ansprechende Weise präsentieren möchten: X Dinge, die Sie nicht über Kaffee wussten, Y Fakten zum Neujahrsabend, Z Wege für eine erfolgreiche Denkart – solche leicht esoterisch anmutende Themen findet man hier.

Das Problem ist an dieser Stelle, dass auch in den anderen Kategorien fertig ausgeführte Beispiele zu finden sind. Da ich aber keines der Beispiele 1:1 abkupfern will, hilft mir das nicht. Ich wähle daher eine kleine Grafik aus der Kategorie Statistical und lösche die unerwünschten Elemente alle weg und lasse nur ein paar Textboxen stehen. Die überschreibe ich mit den Texten, die ich gerne benötige: «Kinostatistik 2017», «Die Vorlieben der hiesigen Kinogänger» und schiebe sie per Maus zurecht. Wie in einem Layout- oder Grafikprogramm kann man Textböxchen und Grafiken via Maus platzieren, skalieren und drehen.

Die üppige Auswahl an Vorlagen – alles bis zum Ende ausgefeilte Grafiken.

Dann geht es darum, eigene Elemente zu platzieren. Dafür stehen die Werkzeuge Text, Icons, Charts, Maps, Background, Images, Image Frames, Pictographs und Interactive zur Verfügung. Das meiste ist selbsterklärend, ausser Pictograph: Wie unterscheidet sich ein Piktogramm von einem Icon? Das wird mir auch nach einigen Stichproben nicht so ganz klar. In der Kategorie Icon finden sich eher generische Dinge für Menschen, Kulturen und Themenfelder, bei Pictograph wird es eher spezifisch: Da gibt es Brands & Logos, Currency & Finance, etc. Aber es gibt auch viele Überschneidungen.

Wer Diagramme sucht, findet sie auch

Bei Charts finde ich das, was ich suche: Linien-, Balken- und Flächendiagrame, aber auch Pyramiden, Treemaps und Säulen bzw. Balken , die aus Symbolen aufgebaut sind. Ich will es einfach halten und meine Daten mit Säulen darstellen. Ich ziehe also ein Säulenelement in meine Grafik und klicke es doppelt an. Wie erwartet geht eine Tabellenansicht auf, in die ich die Daten aus der Excel-Tabelle des Bundesamts für Statistik einkopiere. Man könnte die Tabelle auch mit einer öffentlichen Tabelle von Google Docs verbinden.

Unter Settings lässt sich die Grafik moderat anpassen: Da ich mehrere Grafiken platzieren möchte, brauche ich eine Beschreibung. Ich kann die Legende anzeigen lassen, dann wird die Beschreibung aus der Tabelle übernommen, die ich aus Excel einkopiert habe. Es gibt auch die Option Show Title, die die Tabelle mit «My Chart» überschreibt, ohne dass ich sehen würde, wo man den Titel angibt. Ich entscheide mich, Titel auszublenden, die Legende für sich sprechen zu lassen und die Grafiken nicht explizit anzuschreiben.

Die Einstellungsmöglichkeiten für die platzierten Diagramme.

Hilfreich ist Show Labels: Mit dieser Option kann ich über den Säulen die exakten Zahlen anzeigen lassen. Es git auch einige Detail-Einstellungen zu den Dicken von Säulen, Umrandungen und Hilfslinien. Was ich jedoch nicht schaffe, ist, bei der Y-Achse statt viele Nullen Millionen anzugeben. Ich kann auch Farben der Säulen anpassen. Da werden mir die Farben aus der Palette der Vorlage vorgeschlagen – das ist sehr hilfreich für ein konsistentes Erscheinungsbild.

Das Rad nicht neu erfunden

Fazit: Venngage hat das Rad nicht neu erfunden. Die Website ist eine (im Vergleich zu InDesign) simple Layoutsoftware. Dass sie sich auf Infografiken spezialisiert hat, ist hilfreich: Man braucht die Grafiken nicht in einer externen Software zu erstellen, sondern kann sie direkt vor Ort anpassen, sodass sie sich schön ins Ensemble einfügen. Die Farben aus der Vorlage zu übernehmen, ist simpel. Und auch grafischer Schnickschnack wie die erwähnten Piktogramme und Symbole sind einfach zu platzieren.

Müsste ich mit Infografiken mein Brot verdienen, würde ich wahrscheinlich dennoch mit InDesign arbeiten: Das Verschieben von Textelementen ist schwierig. Es ist oft passiert, dass ich stattdessen den Cursor in den Textrahmen gesetzt oder die Grösse verändert habe. Ich vermisse diverse aus Excel gewohnte Funktionen – wie erwähnt zum Beispiel die, Achsen in Tausender oder Millionen zu beschriften.

Elemente werden zwar schon mit smarten Hilfslinien aneinander ausgerichtet, aber ich habe keine Möglichkeit gefunden, sie gleichmässig zu verteilen oder zum Beispiel die Breite von Elementen numerisch exakt zu setzen. Und man scheint nicht weiter als auf 140 Prozent einzoomen zu können, wenn man präzise arbeiten möchte.

Und ich habe auch diverse Ungereimtheiten entdeckt: Als ich aus Versehen das Browserfenster geschlossen hatte, war der Text in einem Textfenster weg – offenbar funktioniert das automatische Speichern nicht immer ganz einwandfrei. Und wenn man in einen Textrahmen klickt und allen Text löscht, ist auch die Formatierung weg. Man muss somit den Text anhängen und dann den vorderen Teil löschen. Das ist sehr mühsam.

Für den Download muss man zahlen

Trotzdem ist Venngage eine Empfehlung wert: Wenn man kein InDesign und kein Excel griffbereit hat, ist diese Webapp eine gute Wahl. Und auch wenn die Vorlagen für meinen Geschmack zu spezifisch sind, kommt man trotzdem ans Ziel. Man kann die fertigen Werke auf venngage.com veröffentlichen und in Webseiten einbetten. Wenn man sie herunterladen möchte, kommt man mit seinem kostenlosen Account allerdings nicht mehr weiter. Dann braucht man einen der beiden kostenpflichten Preispläne. Der Premium-Zugang kostet 19 US-Dollar pro Monat und eröffnet auch den Zugang zu «Premium»-Inhalten wie Vorlagen und Icons. Der Business-Zugang kostet 49 US-Dollar.

Mit einem bezahlten Account kann man seine Grafiken als PDF und PNG herunterladen. Hochauflösende PNG-Dateien gibt es allerdings nur mit dem Business-Account. Das ist ein Unfug, denn wenn ich als Einzelkunde 19 US-Dollar pro Monat zahle, dann erwarte ich dafür selbstverständlich auch eine druckfähige Qualität.

Das «Onboarding»-Video, bei dem die Grundlagen für Einsteiger erklärt werden.

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