Etwas für Geniesser

Sonde­rzeichen, Glyphen aus anderen Sprach­syste­men und Emojis – sowie Ligaturen, Brüche, mathe­mati­sche Symbole und origi­nel­le Gratis­schrif­ten: Die Mög­lich­kei­ten der digitalen Fonts gehen über die «Arial» und die «Comic Sans» hinaus.


Emojis sind für Grünschnäbel.

Bei manchen Themen ist es völlig klar, dass die ausreichend Breitenwirkung entfalten. Bei anderen bin ich mir unsicher. Das Thema im Video hier gehört in die zweite Kategorie: Ich bin ein Fan von Unicode und OpenType und den ganzen Möglichkeiten rund um die digitalen Schriften.

Doch wie weit wird diese Begeisterung von der breiten Masse geteilt? Die Emojis als Teil des Unicode-Standards hatten einen durchschlagenden Erfolg – selbst die Senioren, die gerne eine sichere Distanz zu technische Neuerungen wahren, sind darauf angesprungen. Ohne hier Namen zu nennen, gehören die fleissigsten Emoji-Nutzer in meiner Verwandtschaft in die Gruppe der Ü60.

Typografische Sorgfalt ist technisch heute überhaupt kein Problem mehr

Die anderen Aspekte des Themas scheinen nicht ganz so populär zu sein. Dank Unicode kann man problemlos hoch- und tiefgestellte Zahlen verwenden, selbst wenn die Textverarbeitung das nicht zulässt: Man nutzt nämlich einfach die entsprechenden Glyphen. Im Web oder im Zeichentabellen-Programm des Betriebssystems findet man die hochgestellte Zwei (²) und die Drei (³), die tiefgestellte Zwei (₂), und ebenso auch alle anderen Ziffern.

Trotzdem machen sich viele nicht die Mühe, m² oder CO₂ typografisch korrekt zu schreiben – sogar in Zeitungen sehe ich oft «m2» oder «CO2». Unkenntnis? Schlendrian? Ich tippe einfach auf mangelndes Interesse. Und nein, ich werde an dieser Stelle nicht das Klagelied auf die falschen Apostrophe, das Deppen-Leerzeichen und ähnliche, noch viel schlimmere Auswüchse der Typo-Ignoranz anstimmen. Das nämlich, deswegen, weil bereits ein separater Blogpost zu diesem Thema geplant ist.

Trotz Google Fonts halten manche lieber der Arial die Treue.

Darum hat das aktuelle Video zugegebenermassen einen gewissen aufklärerischen Charakter. Und wie ein Blick in die Statistik zeigt, war das Video zwar nicht der absolute Überflieger, doch erfolgreich genug, um feststellen zu dürfen, dass es viele andere Leute gibt, die an der Schrift nicht nur den Inhalt schätzen, sondern eben auch die Form.

«Es muss schnell gehen»

Ein Kommentator hat allerdings explizit geschrieben, dass ihm formale Aspekte egal sind:

Nun Mr. Clicko, in der Geschäftskorrespondenz zählt die «schöne Gratisschrift» nichts, denn es geht schlicht um die Informationsübermittlung. Und da lese ich lieber emails in Arial als in schnörkeliger Schrift denn es muss schnell gehen. Rechnungen müssen einfach lesbar sein, egal welche Schrift damit sie schnell bearbeitet werden können und da sind Schnörkel eher hinderlich als nutzbringend. Im übrigen ist ja auch der ganze Tagi in einer ziemlich einfachen Serifenschrift gehalten genauso wie sehr viele Websiten in 10-20 einfachen Schriftarten gestaltet sind. Weshalb wohl?

Natürlich verlangt niemand, dass nun alle Texte nur noch mit der «Hoefler Text» oder der «Apple Chancery» gesetzt werden, unter Einsatz aller Design-Varianten. Das Prinzip Form follows function habe ich nicht explizit erwähnt, aber es scheint mir nahe liegend, wo die Lesbarkeit und die angenehme Schriftdarstellung ein wichtiges Thema sind. Aber gut, manche Leute wollen einen falsch verstehen.

In dem Fall kann man allerdings darauf hinweisen, dass in der Geschäftswelt die sorgfältig ausgewählte Hausschrift ein wichtiger Teil der Corporate Identity ist und tatsächlich nur wenige Unternehmen ihren Namenszug in der «Arial» an die Fassade des Hauptsitzes zimmern.

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