Treffsichere Links

Hyperlinks sind der Kitt, der das Netz zusammenhält. Wie sie erfunden wurden, warum sie nicht der Weisheit letzter Schluss sind – und wie man mithilfe der Memex-Maschine ein Manko zumindest teilweise ausbügeln kann.

Hier gehts lang! (Bild: pixabay.com, CC0)

Wer hat eigentlich den Hyperlink erfunden? Nicht ganz unbeteiligt war jedenfalls Ted Nelson, den ich neulich schon mal im Beitrag Andere Internetze gewürdigt habe. Seine Idee waren Zweiweg-Links, also Verknüpfungen, die in beide Richtungen funktionieren.

Am Hypertext und insbesondere an den Links beteiligt war auch Vannevar Bush. Seine Memex-Maschine ist eine Art Analogrechner, der mich schon früher faszinierte. Die FAZ hat ihm vor einiger Zeit ein ausführliches Portrait gewidmet:

Gleichwohl blieb es nicht bei der Vision. 1937 entstand mit dem «Rapid Selector» ein Prototyp, der es ermöglichte, in einer Mikrofilmbibliothek die gesuchte Information aufzufinden. Wichtiger aber war das intellektuelle Paradigma. Wenn das Weltwissen auf einem Schreibtisch abgelegt werden kann (zudem kopierbar ist), ist es nur logisch, dass man nicht nur das Suchen und Finden von Informationen, sondern auch die Art der Verknüpfung zum Gegenstand des Wissens macht. Folglich sind nicht nur die Dokumente, sondern auch die Pfade von Bedeutung, die von einem Gegenstand zum nächsten führen.

Wenn diese Vorwegnahme des Hyperlinks noch in den achtziger und neunziger Jahren begeisterte Anhänger finden sollte, so deswegen, weil Vannevar Bushs Memex der Schrift ein Gedächtnis verleiht, ebenso wie es die Bibliothek zum Echo- und Erinnerungsraum ihrer Benutzung macht. In der Memex-Apparatur tritt die Wissenschaft als Kommunikationsraum hervor, der sich nicht im Gedächtnistheater und in der Performance erschöpft, sondern immer wieder neu erlebt werden kann: ein Arbeits- und Bildungsspeicher.


Der Link, wie er im Web gebräuchlich ist, hat natürlich mit HTML und mit Tim Berners-Lee zu tun. Diese Form der Verknüpfung ist annähernd genial: einfach, zweckdienlich und aus dem Web und unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Doch sie hat ihre Mängel. Es gibt juristische Probleme. Man kann allein wegen eines Links verklagt werden. Und ein grosses Problem ist, dass Links verrotten bzw. sterben, weil sie auf nicht mehr zugängliche Seiten verweisen (siehe auch dieser Blogpost hier).

Inhalte, auf die man linkt, können nachträglich verändert und auch bösartig werden

Weniger einfach festzustellen, aber potenziell noch gefährlicher sind Inhalte, die nach der Verlinkung geändert wurden. So verweist man im schlimmsten Fall nicht mehr auf ein schönes Progrämmchen, sondern auf eine Schadsoftware. Oder statt auf einen netten Blogpost auf eine Pornoseite, die unübliche Geschlechtspraktiken zelebriert. Mein Albtraum ist, dass mir das einmal mit einem Link passiert, den ich in der Zeitung erwähne. Da fällt nämlich eine sehr wesentliche Schutzfunktion weg, die man bei Blogposts und Online-Artikeln hat: Die Möglichkeit, einen Link auch wieder zu löschen.

Ein weiteres Problem mit Hyperlinks liegt darin, dass man nur auf Webseiten als Ganzes, nicht aber auf spezifische Elemente bzw. Passagen einer Seite linken kann – es sei denn, der Urheber der fraglichen Seite war so vorausschauend, einen Anker genau an der richtigen Stelle zu setzen.

Man kann (meist) nur auf Seiten, nicht aber auf Textstellen linken

Möchte ich zum Beispiel auf das obige Zitat aus der FAZ verweisen, ist das nicht möglich, weil die FAZ eben keinen Anker gesetzt hat. Ich muss es somit dem Webnutzer überlassen, zur richtigen Stelle zu scrollen – was bei FAZ-Artikeln dauern kann. Klar, man kann auch die Suchfunktion benutzen. Aber unpraktisch ist es so oder so.

Citebite.com: Links, die direkt auf die gewünschte Stelle auf der Webseite führen.

Ich war darum einigermassen begeistert, als ich neulich citebite.com entdeckte. Der Dienst verspricht, Websites direkt an der angegebenen Stelle zu öffnen und das hinterlegte Zitat farblich zu markieren. Das geht (theoretisch) sogar über ein Bookmarklet und eine Firefox-Erweiterung.

Die Idee ist super, doch leider funktioniert citebite.com just in meinem Beispielfall nicht. Beim Link zum Vannevar Bush-Artikel auf faz.net erscheint die Fehlermeldung: «The source you specified exceeds the maximum size allowable by Citebite.» Die Seite ist zu lang, um verarbeitet zu werden. Naja, die HTML-Datei ist 872 KB gross, die verlinkten Ressourcen kommen auf 6,05 MB. Eine einzelne Webseite, die mit allem Drum und Dran fast sieben Megabyte umfasst – das ist natürlich nackter Wahnsinn und zeigt, dass Webentwickler und Medienhäuser jegliches Mass verloren haben. Die Information, die mich am Text interessiert, ist netto (als reiner Text) knapp 15’000 Zeichen lang. Das Verhältnis zwischen Substanz und Ballast beträgt somit eins zu 467. Das ist absurd!

(Kritischerweise muss ich sagen, dass auch mein Blog nicht gerade ein Vorbild an Datensparen ist. Die Frontseite ist typischerweise um die 110 KB gross. Und obwohl ich die Bilder immer optimiere, trägt die Werbung und das CMS einigen Ballast bei.)

Eine unzeitgemässe Fehlermeldung

Doch in anderen Fällen funktioniert es. Zum Beispiel bei meinem Blog. Möchte man bei Wikipedia auf eine bestimmte Stelle verlinken, sollte das ebenfalls möglich sein. Es sei denn, man erhält, so wie ich, die Fehlermeldung «Error: certificate verify failed.» Sucht man herum, scheint das Problem bei https zu liegen. Doch ein Dienst, der mit Verschlüsselung nicht klarkommt, ist heute annähernd unbrauchbar.

Fazit: Citebite ist theoretisch eine hervorragende Idee, die in der Praxis nicht ausgereift scheint. Ein Problem liegt natürlich auch darin, dass die Links über citebite.com laufen und nur funktionsfähig sind, wenn die Website citebite.com funktioniert, wie sie sollte. Wenn sie den Betrieb einstellt, dann sind auf einen Schlag alle Links tot, die man mit Citebite erstellt hat – und das ist dann wirklich kontraproduktiv.

Ein Beispiel dafür ist die Website donotlink.com, die einen ähnlichen Service anbietet: Wie im Beitrag Hinlinken, ohne hinzulinken schaltet sie bei dubiosen Quellen eine Warnung vor. Doch Donotlink scheint nicht mehr zu funktionieren. Wer den Dienst intensiv verwendet hat, steht somit ziemlich dumm da. Immerhin ist in einem Donotlink-Link die ursprüngliche Adresse noch vorhanden, sodass man die wiederherstellen kann. Bei Citebite ist das nicht der Fall. Der Dienst verwendet URLs mit Code wie zum Beispiel pages.citebite.com/j6n1s3k9k8jsd.

Man muss sich die Mühe machen, doppelt zu verlinken

Das heisst: Wenn man sich entscheidet, Citebite zu verwenden, sollte man den Citebite-Link immer zusätzlich zum Originallink verwenden. Zum Beispiel so:

Siehe Clickomania.ch, hier mit dem direkten Zitat.

Eine Alternative ist scrible.com. Diese Website erfordert eine Anmeldung und funktioniert dann etwas umständlicher – doch dafür kann man mehr anstellen: Es ist möglich, mehrere Textstellen mit einem Leuchtstift zu markieren, und man kann sogar Notizen anbringen. Die Hauptfunktion von Citebite, der direkte Sprung zur entscheidenden Passage, ist mit Scrible nicht möglich. Dafür kann man in der Hyperlink-Verwaltung seine Lesezeichen verwalten und auch eigene Dokumente, zum Beispiel PDFs hochladen.

Scrible.com: Webseiten mit Leuchtstift bearbeiten und mit Kommentaren versehen.

Zwei Beispiele, die ich probehalber erstellt habe: Hier zum Wikipedia-Beitrag zur Filterblase, hier zum erwähnten Artikel über Vannevar Bush in der FAZ.

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