Die Arroganz der Softwarehersteller

Microsoft und Adobe machen sich neuerdings noch nicht einmal mehr die Mühe, eine vernünftige Hilfefunktion anzubieten.

Gleich wird er explodieren… (Bild: David McEachan/Pexels.com, CC0)

Ich stelle eine Verluderung der Sitten fest. Ich habe neulich über die Suchfunktion von Windows geschrieben. Die ist nicht selbsterklärend. Die Suchparameter wie name, art, typ oder grösse muss man kennen, um sie verwenden zu können. Und selbst wenn man sie kennt, aber nur sporadisch braucht, dann erinnert man sich vielleicht nicht sofort an die genaue Syntax. Es braucht somit eine gute Dokumentation, die schnell zur Hand sein sollte, damit man gegebenenfalls schnell nachsehen kann, wie man sie nun einsetzt. Zugegeben, wenn man ins Suchfeld tippt, wird in der Multifunktionsleiste eine Rubrik namens Suchen geöffnet, in der man die Parameter bei Verfeinern und Optionen zur Verfügung hat. Ob das wirklich selbsterklärend ist, darüber kann man streiten – ich bin der Ansicht, dass das nicht der Fall ist: Damit man mit dieser Windows-Suche richtig umgehen kann, ist eine Anleitung unverzichtbar.

Doch ist bei Windows über die Jahre verloren gegangen. In früheren Versionen brauchte man nur die F1-Taste zu betätigen, um in einem Fenster die Hilfe zum Programm angezeigt zu erhalten. Das war eine hierarchisch strukturierte Anleitung, die man auch durchsuchen konnte. Windows bot die Möglichkeit, je nach Kontext direkt zur passenden Hilfeseite zu springen. Hatte man den Mauszeiger beispielsweise im Suchfeld positioniert, ging (im Idealfall) die Programmhilfe direkt bei der Seite auf, die das Suchen im Windows Explorer erklärt.

Das soll eine Hilfefunktion sein?

Tempi passati. Beim Klick auf das Fragezeichen-Symbol beim Explorer oder beim Betätigen der F1-Taste wird eine Bing-Suche ausgeführt: hilfe zum explorer in windows 10 Oberster Treffer ist nicht etwa eine Microsoft-Hilfeseite, sondern ein Blog namens «win10.support», das noch nicht einmal ein vernünftiges Impressum hat. Bei whois.com erfährt man wenig über den Betreiber, da er Privacy Protection gebucht hat. Immerhin weiss man, dass der Registrar Hosting Ukraine LLC heisst. Damit ist es wohl relativ unwahrscheinlich, dass es sich um eine offizielle Microsoft-Seite handelt.

Es ist an dieser Stelle festzuhalten: Die Macher von Windows sind zu faul, eine anständige Dokumentation und Online-Hilfe zu bieten. Die Nutzer mit einer Websuche abzuwimmeln und eine zentrale Systemfunktion von einem ukrainischen Blog erklären zu lassen (nichts gegen die Ukrainer), ist lächerlich, dreist und eine ziemliche Unterlassungssünde.

In anderen Bereichen ist Windows nicht besser. Bei den Modern UI-Apps (Mail, Groove, Xbox, Store, Film & TV, etc.) passiert beim Drücken der F1-Taste gar nichts. Auch bei den Einstellungen ist F1 wirkungslos – wieso sollte das auch anders sein? Es gibt sicher keinen einzigen Anwender von Microsoft, der jemals eine Frage zur Konfiguration von Windows 10 gehabt haben könnte.

So wars früher – einigermassen hilfreich.

In Edge geht immerhin die Seite Tipps für Microsoft Edge auf. Bei der Computerverwaltung öffnet sich das altbekannte Programm für die Anzeige der Programmhilfe (HTML Help zum Öffnen der CHM-Hilfedateien), aber mit der Fehlermeldung «Kein Zugriff auf Seite». Betätigt man in der Systemsteuerung F1, landet man in der Windows 10 Hilfe auf support.microsoft.com. Allerdings ohne jegliche Berücksichtigung des Kontexts – also ohne Hinweise auf die Systemsteuerung. Sucht man hier nach «Systemsteuerung», erscheint eine Anleitung, wie man die Systemsteuerung öffnet. Als ob das etwas nützen würde – wo man doch gerade in der offenen Systemsteuerung die Hilfe aufgerufen hat.

Das hat null Praxisnutzen

Versucht man, auf Microsofts Website etwas über die Dateisuche im Explorer in Erfahrung zu bringen, dann erscheinen zum Stichwort «Dateisuche» vorwiegend Forumsbeiträge von answers.microsoft.com. Der oberste Beitrag «Unter Windows 7 wie unter XP Text in Dateien suchen …» Auch das weniger hilfreich als ein tollwütiger Affe, der mit seinem Hintern über die Tastatur rutscht. Der Affe könnte nämlich per Zufall eine sinnvolle Eingabe ins Suchfeld machen.

Das einzige, was ich bei Microsofts Hilfe im Web zur Suche bei Windows 10 gefunden habe, ist der Beitrag Suchen nach beliebigen Inhalten, überall. Er erläutert aber vorwiegend Cortana – und zielt damit haarscharf am Thema vorbei.

Ich glaube, mein Punkt ist so langsam klar geworden. Windows ist zwar nach wie vor komplex, aber Microsoft fühlt sich nicht mehr bemüssigt, eine brauchbare Hilfestellung zu bieten. Ja, ich weiss, eine gute Dokumentation ist aufwändig; ich selbst habe seinerzeit für Clickomania RTF-Hilfen kompiliert. Das macht keinen Spass. Aber es ist notwendig.

Es braucht eine Programmdokumentation, die lokal verfügbar ist. Auch die Hilfen im Netz taugen nichts: Denn es kommt auch heute vor, dass man mit seinem Computer ohne Internetzugang arbeitet – oder sogar mittels Hilfe ein Verbindungsproblem beheben möchte. Ausserdem sind die Hilfeseiten im Web im Vergleich viel langsamer und nicht im Ansatz kontextsensitiv: Bei support.microsoft.com landet man auf der Startseite zur Windows 10-Hilfe statt exakt bei dem Beitrag, der sich aufs gerade geöffnete Programm und die eben benutzte Funktion bezieht.

Andere sind genauso schlimm.

Adobe ist auch kein Vorbild

Auch bei Adobe-Programmen landet man beim Klick auf den Menüpunkt «Hilfe» auf einer trägen, benutzerunfreundlichen Website. Will man beispielsweise in InDesign eine Frage klären, gelangt man eine etwas unübersichtliche Supportseite. Nutzt man auf der die Suchfunktion, wird standardmässig der Bereich «Support und Community» durchsucht – also alle Hilfebereiche zu allen Adobe-Programmen, plus die Userforen. Hier sollte man auf Support wechseln, weil die Foren spezifische Fragen diskutieren und keine Antworten auf grundlegende Fragen bieten, wie zum Beispiel «Wo ist nochmals die Actions-Palette von InDesign?»

Als nächstes muss man die Resultate auf das gerade relevante Programm einschränken. Man stellt an dieser Stelle fest, dass es zwar eine Filterungsfunktion gibt, doch dass sie Photoshop, Dreamweaver, Acrobat, Captivate und Adobe Experience Manager aufführt, nicht aber InDesign – obwohl man seine Suche aus diesem Programm heraus gestartet hat.

Man kann nun ins Feld Produktsuche den Begriff InDesign eintippen, worauf man zur Auswahl InDesign, InDesign/CS6, InDesign/CC und InDesign/CC (2015) erhält. Man muss nun also wissen, welche Version man im Einsatz hat und die Resultate passend einschränken – als ob man an dieser Stelle an Informationen interessiert sein könnte, die für die eigene Programmversion nicht zutreffen.

Suchen ist bei Adobe eine nervtötend umständliche Angelegenheit.

Der oberste Treffer ist nun «Enter and Return keys give unexpected results – InDesign CS5 – German and Swedish – Mac OS». Man stellt fest, dass sich der auf eine uralte InDesign-Version bezieht, die unter Mac läuft, was deswegen bemerkenswert ist, da man selbst mit Windows arbeitet. Der nächste Beitrag heisst «Boutons» und ist offensichtlich in Französisch. Danach folgt 17-mal (!!) der Beitrag «Add interactive buttons in InDesign».

Selber schuld?

… gut, natürlich, die Suche war schlecht formuliert. Die Actions stammen aus Photoshop. Bei InDesign heissen sie «Scripte», wobei Adobe die eingedeutschte Variante «Skripts» gebraucht. Aber hey, eine gute Hilfe würde berücksichtigen, dass sich ein Nutzer mal nicht an die genaue Bezeichnung einer Funktion erinnern kann.

Abgesehen davon ist leider auch der Gebrauch der korrekten Bezeichnung nicht hilfreich. Oberster Suchtreffer: «InDesign CC 2014 stürzt beim Drucken über Fiery RIP unter Verwendung der Fiery-Funktionen unter Mac OS ab». Nächster Suchtreffer: «InDesign Server und InDesign CS5.5 | Version 7.5.3». Nächster Suchtreffer: «InDesign CC 2014 stürzt beim Drucken über Fiery RIP unter Verwendung der Fiery-Funktionen unter Mac OS ab» – jawoll, nochmals. Plus noch zwei weitere Male. Dann nochmals dreimal «InDesign Server und InDesign CS5.5 | Version 7.5.3».

Und was Adobe liefert, sind redundante Suchresultate, die in keinster Weise sinnvoll priorisiert sind.

Und zum Abschluss der ersten Suchseite gibt es mehrfach den Beitrag «Automatiserad anpassad publicering i InDesign» zu InDesign in Schwedisch.

Ein Haufen unfähiger Nasenbohrer?

Ich glaube, es ist nicht unfair, wenn man an dieser Stelle Adobe als einen lächerlichen Haufen unfähiger Nasenbohrer bezeichnet. Denn wenn man bei Adobe nur ein einziges Mal eine simple Recherche in der Hilfe durchgespielt hätte, dann hätte man unweigerlich zum Schluss kommen müssen, dass man so die Zeit seiner Nutzer massiv verschwendet.

Übrigens: Die Scripte stecken bei InDesign CC unter Fenster > Hilfsprogramme > Skripte. Und noch nicht einmal wenn man diese drei Begriffe aufs Mal eingibt, gelangt man auf eine Seite, die ein paar grundlegende Dinge zu den Scripts verraten würde…

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