Brioches? Nein, leider nicht

Die Grafiksoftware Cerberus von GuardSoft zaubert wunderhübsche, symmetrische Konstrukte auf den Bildschirm.

Als Journalist sollte man mit dem Begriff der Relevanz vertraut sein. Sie besagt, wie wichtig ein Thema ist – und ausschlaggebend dafür ist natürlich der Leser. Mit anderen Worten: Man sollte als Journalist nicht die Themen beackern, die einem selbst besonders gut gefallen. Nein, die Relevanz bemisst sich am Wert für den Leser – oder meinetwegen auch für die Gesellschaft, das Land oder die Menschheit.

Das Lebenswerk eines Mönchs – oder ein Tag mit der richtigen Software gespielt.

Nun könnte man an dieser Stelle mehrere Fässer aufmachen. Fass 1: Woher soll man als Journalist wissen, was für den Leser relevant ist? Und wer ist der Leser überhaupt? Fass 2: Die Newsportale verwechseln Relevanz mit Klickraten – und das ist in vielen Fällen noch schlimmer, als wenn der Journi bloss seine eigenen thematischen Steckenpferde pflegt. Zumindest dann, wenn der Journi ein einigermassen geerdetes Mitglied der Gesellschaft ist. Fass 3: Gleichzeitig wird von den Medien gerne das Unerwartete und Überraschende erwartet. Das muss kein Widerspruch zur Forderung nach Relevanz sein – doch in der Praxis läuft es natürlich oft darauf hinaus.

Da ist es ein Glück, dass das hier kein journalistisches Medium ist, sonder mein persönliches Blog. Da kann mir die Relevanz komplett gestohlen bleiben. Wenn ich extrem peripheres Zeugs bespreche – wer will mir einen Strick draus drehen? Etwa die Leser, die noch nicht einmal auf den Flattr-Knopf drücken?

Interessiert das jemanden? Ja, mich!

Also, darum hier ein Thema, das wahrscheinlich ausser mir mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit niemanden interessiert. Das ist die Software Cerberus von GuardSoft. Sie hat einen unbekannten Preis, den man direkt bei Hersteller in Erfahrung bringen muss. Aber es gibt immerhin eine Demoversion unter diesem Direktlink. Wem das ein bisschen dubios erscheint: Es gibt eine Alternative für den Mac namens Excentro. Sie kostet in der Vollversion 500 US-Dollar, aber es gibt eine Lite-Version für verkraftbare 25 USD.

Die beiden Programme sind für die Kreation von Guilloches zuständig. So nennen sich die Muster, die man oft auf Banknoten, Ausweisen, Wertpapieren, Gutscheinen und Losen sieht. Sie entstehen aus wellenförmigen Linien, die Kreisbahnen oder Ellipsen ziehen, sich überlappen und mittels Interferenzen verschlungene Strukturen bilden. Von nahem betrachtet wirken sie oft wirr, doch mit etwas mehr Distanz erkennt man Ornamente, Blumen, Sterne oder ähnliches. Die Guilloches waren ursprünglich ein Sicherheitsmerkmal, weil es eine Heidenarbeit ist, sie von Hand auf eine Druckplatte zu gravieren. Und man sieht sofort, wenn jemand in seinem Pass den Namen oder das Geburtsdatum geändert hat: Denn sowohl beim Radieren als auch beim Überpinseln gehen die feinen Linien im Hintergrund verloren.

Nicht gerade intuitiv

Also, Cerberus ist nicht gerade das, was man selbsterklärend oder intuitiv nennen würde. Für eine eigene Kreation bemüht man die Palette namens Manager. Dort klickt man auf den Knopf Create new base. Die Basis kann verschiedene Formen haben, und aus einem Kreis, einer Ellipse, einem Polygon oder bestehen. Sie wird typischerweise am Schluss auf unsichtbar gestellt, weil sie nur die Konstruktionshilfe ist, quasi das Gerüst, an der die Guilloche hochgezogen wird.

Das geometrische Sandwich.

Mit den Bauarbeiten an seiner Guilloche beginnt man, indem man die Basis durch eine umhüllende Linie einschliesst. Dazu klickt man auf Create new envelope. Es erscheint ein Fenster, in dem man deren Eigenschaften festlegt. Das sind geometrische Eigenschaften wie Amplitude, Verschiebung, Frequenz und Phase. Die wichtigste Eigenschaft ist die Frequenz (frequency). Sie gibt vor, wie stark sich die Linie kräuselt, d.h. wie wellenförmig sie ist. Hat man eine Eigenschaft geändert, muss man jeweils die Enter-Taste drücken, damit die Darstellung aktualisiert wird.

Aufbauarbeiten…

Typischerweise fügt man nun noch eine zweite Envelope hinzu – denn eine Linie begrenzt die Figur nach aussen, die andere nach innen, sodass man eine Art Ring erhält, der aber nur dann ringförmig ist, wenn man Kreise nimmt. Sonst ist es eben eine Figur mit Ausbuchtungen und Dellen, wie ein Donut, der nicht rundläuft. Der Parameter Displacement hilft einem dabei: Ein positiver Wert setzt die eine Envelope nach aussen, ein negativer die andere nach innen.

Und jetzt, ladies and gentlemen, der Höhepunkt. Das ist der zarte Mittelteil, der zwischen die beiden Grenzlinien kommt. Dazu klickt man auf Create New Filler. Es erscheint ein überaus kompliziertes Fenster, in dem man als erstes die beiden Begrenzungslinien wählt, also Envelope und Envelope1 – und es schwant einem an dieser Stelle, dass eine schöne Guilloche aus überlagernden Fillern bestehen kann, die sich an den gleichen oder an unterschiedlichen Envelopes ausrichten. Schliesslich kann man auch mehrere Guilloches übereinanderlegen, verschieben und gruppieren: So entstehen die Interferenzen, die enorm komplex wirken, auch wenn sie letztlich aus einer überschaubaren Zahl von Elementen aufgebaut sind.

Viel zu tief gestapelt

Aber zurück zum Filler. Da ist wiederum die einfachste Variante eine Sinuskurve, die zwischen den beiden Begrenzungslinien hin- und herschwingt. Über die Parameter kann man die Kurve auch mit Versatz (Displacement) ausstatten, und… naja, an dieser Stelle dachte ich, muss ich für einen so irrelevanten Beitrag nicht mehr weiter in die Tiefe stossen.

Apropos Relevanz: Womöglich habe ich hier aus reiner Koketterie viel zu tief gestapelt. Denn Cerberus und Excentro sind kreative Spielzeuge, mit denen man abstrakte geometrische Formeln ziemlich direkt in optisch ansprechende Werke überführt. Algorithmen können schön sein: Das erfährt man hier mit etwas Geduld und Forschertrieb recht schnell – noch deutlich schneller, als mit den Werkzeugen, mit denen man Bilder programmiert – wie Pixel Bender (Adobe braucht Gegenwind), Processing (Programmieren fürs Auge), Structure Synth und ContextFree (Programmieren ist schön! (Wortwörtlich!)).

Rosetten in allen Varianten

Für einen schnellen Start sei übrigens auf das Wizard-Menü verwiesen. Hier gibt es den Rosette Wizard, der, wie der Name verrät, Rosetten aller Art erzeugt. Es zeigt auch auf, was man sonst noch mit der Software tun kann: Man kann Hintergründe (backgrounds) und Rahmenelemente (Border) erzeugen und über den Effects wizard sogar Bilder, beispielsweise Textelemente modulieren. Und hier gibt es eine Sammlung von Hintergründen, Rändern und Rosetten, die man inspizieren und modifizieren kann.

Das zeigt übrigens noch einen zweiten, ganz konkreten Nutzen: Mit dieser Software kann man auch komplexe grafische Elemente erzeugen, die niemand von Hand oder in Illustrator zeichen will. Solche Elemente können nicht nur in Pässe oder Banknoten einfliessen, sondern auch moderne und alltägliche Kompositionen aufwerten.

Spirografische Spielereien mit Vectorizer.

Und noch ein letzter Tipp: Ohne Software, direkt im Browser experimentiert man mit dem Vectorizer mit geometrischen Formen. Die sind zwar deutlich weniger komplex, und meines Erachtens handelt es sich auch weniger um Guilloches, sondern vielmehr um einen Spirografen. Aber egal, Spass macht auch dieses kleine Grafikspielzeug. Und man kann diese Bilder kostenlos im Vektorformat (SVG) exportieren. Und sehr schön auch der Guilloche Pattern Generator, der aber leider mit Flash funktioniert und nur JPG, aber kein Vektorformat sichert.

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