Dem Voyör ist nichts zu schwör

«A normal lost phone» ist ein Game mit einer spannenden Idee: Der Spieler findet ein verlo­renes Mobil­tele­fon und kann seine Neu­gier­de nicht zügeln. Was lässt sich anhand der Infor­ma­tionen auf dem Gerät über den recht­mäs­sigen Besitzer in Erfah­rung bringen?

Was würden wir mit einem gefundenen Handy tun, das – fahrlässigerweise – nicht durch einen Passcode geschützt ist? Klar, wir würden es dem Besitzer zurückgeben. Aber vorher würden wir es uns nicht nehmen lassen, ein wenig darin herumzuschnüffeln. Und sei es nur, um die Identität des Besitzers zu eruieren.

Bei diesem gefundenen Handy dürfen wir jedoch nach Lust und Laune schnüffeln und ohne schlechtes Gewissen den Voyeur in uns herauskehren. A normal lost phone (drei Franken für Android und für iPhone) ist nämlich ein Spiel, in dem wir genau die Aufgabe haben, möglichst viel über den Besitzer des präsupponierten Smartphones herauszufinden. Das ist Sam, der das Telefon erst seit Kurzem besitzt, weswegen die Zahl der Apps, Nachrichten und Mails überschaubar ist. Nach dem Start sehen wir den Homescreen, wo wir uns ohne weitere Anleitung auf die Suche nach aufschlussreichen Informationen machen. Die Möglichkeiten sind am Anfang eingeschränkt, da Sams Telefon keine Internetverbindung hat, weil Guthaben und das WLAN-Passwort fehlen.

Sam hat ein grosses Geheimnis

Im Lauf der Suche finden wir dieses Passwort heraus, bringen auch ein Webforum zum Vorschein, in dem Sam sich häufig aufgehalten hat – und wir erfahren, dass Sam (wie könnte es auch anders sein) ein grosses und schwer auf ihm lastendes Geheimnis hat.

Links: Der Homescreen des Fundstücks.
Rechts: Die (unheilschwangeren) Nachrichten.

Dieses Geheimnis wird an dieser Stelle natürlich nicht verraten – es ist aber eines, das nicht aus der Luft gegriffen ist und einen realistischen Hintergrund hat. Entsprechend ist unübersehbar, dass die App auch einen aufklärerischen Charakter hat. Das ist für Smartphone-Games eher untypisch, hat mich aber überhaupt nicht gestört.

Das «Found Footage»-Genre funktioniert auch als Videospiel

Das Spiel erinnert in seiner Machart natürlich ans Found Footage-Prinzip in der Filmwelt, das sich hervorragend auf digitale Games adaptieren lässt. So hat man das schon bei dem hier besprochenen Game «Her Story» gesehen, und man kann es auch hervorragend bei «A normal lost phone» erleben. Bei diesem Titel muss man allerdings sehr viel lesen – die Informationsbröckchen stecken nämlich in vielen Nachrichten, Mails und Foreneinträgen. Das macht das Game nicht gerade zu einem Blockbuster, aber zu einem spannenden Titel für Leute, die gerne Rätsel knacken.

Ich mag dieses Spielprinzip und Rätsel-Apps dieser Art – vielleicht, weil ich ein kleiner Voyeur bin. Oder aber, was ich selbst für wahrscheinlicher halte, weil mich experimentelle Spielanordnungen mag, die lebensecht wirken und einen in die Rolle eines echten Ermittlers versetzen. Fertiggespielt habe ich «A normal lost phone» bislang nicht (was mich an dieser Stelle auch davor bewahrt, versehentlich die Auflösung zu spoilern), sodass ich nicht beurteilen kann, ob die Idee bis zum Schluss trägt. Im Moment bin ich daran, den VIP-Bereich des Forums zu knacken – und ob sich die Idee von dort weg totläuft oder ob es da erst richtig losgeht, das bleibt für mich vorerst ein Geheimnis…

Die Musik auf dem Telefon ist der Soundtrack im Spiel

Bemerkenswert: Der wirklich gelungene Soundtrack, der aus Titeln besteht, die man in der Musik-App des gefundenen Telefons selbst auswählen und abspielen kann. Man findet übrigens auch Stücke von Sam selbst, von denen ich hoffe, dass sie noch eine Rolle spielen werden.

Links: Die Musik-App, die richtige Songs spielt.
Rechts: Das Webforum, in dem einiges klarer wird.

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