Einen Font zusammenklotzen

Auf Fontstruct.com entwirft man seinen eigenen Font. Man hat als Konstruktionshilfe Klötzchen zur Verfügung, mit denen vor allem – aber nicht nur – technisch-geometrische Kreationen entstehen.

Digitale Schriften sind ein Faszinosum für mich. Dass man sie am iPad entwerfen kann, finde ich toll. Es geht aber sogar im Browser, wie die Web-Anwendung Fontstruct.com beweist.

Man muss bei dieser App seine Schrift nicht frei zeichnen – was unsereins schliesslich auch heillos überfordern würde. Nein, man erhält hochwertiges Baumaterial an die Hand, die Blöcke oder Bricks, aus denen man seine Buchstaben aufbaut. Die sich dann übrigens Fontstructions nennen – ein schönes Kofferwort aus Konstruktion und Font.

Das funktioniert so: Nachdem man sich ein kostenloses Benutzerkonto eingerichtet hat, zeichnet man im Editor mit dem Bleistift einen Entwurf des Buchstabens, den man sich vornehmen möchte. Die Selektion der Buchstaben seiner Schrift erfolgt über die Leiste am unteren Rand.

Erst grob, dann feiner

Seinen Buchstaben sollte man natürlich zwischen die beiden blauen Linien einpassen. Man kann auch mit dem Linienwerkzeug oder dem rechteckigen Füllwerkzeug und dem Radiergummi arbeiten.

Der Entwurf des Buchstabens erscheint nun sehr grob gerastert, in einem Klötzchenraster von ungefähr 9 auf 7 Pixeln. Der Clou ist nun aber, dass man diese groben Klötze nun verfeinert. Dazu wählt man links bei All Bricks einen passenden Klotz und fügt ihn seinem Buchstaben hinzu. Man kann auf diese Weise Ecken abrunden, Linien schwungvoller gestalten, Enden ziselieren und generell seinen Buchstaben um Details erweitern. Die Bricks, die man häufig verwendet, sind unter My Bricks zu finden. Ich finde es allerdings trotz dieses Hilfsmittels schwierig, den gesuchten Klotz zu identifizieren. Da wäre wäre es praktisch, wenn man mittels Tasten einen Block drehen oder durchwechseln könnte.

Immerhin ein passables N und M habe ich schon hinbekommen.

Nachdem man seinen ersten Buchstaben entworfen hat, fährt man mit dem nächsten fort. Das Schriftendesign ist schliesslich auch eine Geduldsarbeit, weil man nicht nur die 24 Grossbuchstaben, sondern auch Kleinbuchstaben, Interpunktionszeichen und Sonderzeichen entwerfen muss. Man kann sich sogar an anderen Schriftsystemen probieren. (Emoji, Ligaturen und anderer Unicode-Schnickschnack wird von Fontstruct aber leider nicht angeboten.)

Die Tricks fürs konsistente Schiftenmalen

Damit das B gleich gross ist wie das A, klickt man aufs Menü und auf View > Extra Guides. Es erscheinen zwei Hilfslinien in Grün, mit denen man die Standardhöhe und -breite seiner Buchstaben eingrenzt. Über Menu > View > Adjacent Characters blendet man den vorhergehenden und nachfolgenden Buchstaben ein, was zweifelsohne eine grosse Hilfe ist, um sein Design über die Buchstaben hinweg konsistent zu halten.

Hat man einen Buchstaben markiert, kann man über Menu > Edit > Copy auch kopieren und dann via Menu > Edit > Paste einfügen. Tastaturkürzel funktionieren leider nicht, obwohl das laut dem oben eingebetteten Anleitungsvideo der Fall sein müsste. (Kann sein, dass es an meinem Browser liegt. Ich habe FontStruct mit Firefox für Windows ausprobiert.)

Die fertige Schrift lässt sich via Preview ansehen und mit einer freien Textausgabe ausprobieren. Über Download lädt man sie als Truetype-Schrift herunter. Man kann seine Schrift auch über Sharing in der Gallery freigeben und dafür mit Tags und eienr Creative Commons-Lizenz vergeben.

Bleiben einige Fragen. Zum Beispiel: Kann man auch eigene Bricks zeichnen und verwenden=? Laut FAQ leider nicht. Man kann aber eigene Klötzchen-Vorschläge übermitteln, die vielleicht berücksichtigt werden, sofern sie die Auswahl nicht zu unübersichtlich machen.

Natürlich lädt Fontstruct zur Konstruktion geometrischer Schriften ein. Es gibt aber auch elegante und schwungvolle Resultate

Zweite Frage: Entstehen so nicht nur streng geometrische Schriften, die technoid und konstruiert anmuten? Natürlich, die Bauweise legt eckige und pixelige Schriften nahe, die man für ein Computerspiel oder 8-Bit-Art verwenden möchte, aber nicht unbedingt für «normale» Typografie.

Die Galerie ist einen Besuch wert

Ein Blick in die Galerie zeigt, dass es durchaus Fonts gibt, die aus Super Mario oder vom C64 stammen könnten (zum Beispiel pix4l oder TI-80. Man findet aber auch elegante (AT Thinnetry), handschriftlich wirkende (tm Careful Hand Proper, FS Ariapenciroman) und fast schon organisch anmutende Fonts (AT Hadamard, Badger Spine oder fs hello.).

Trotzdem: «Some fonts you just can’t fontstruct», schreibt der Hersteller selbst und verweist auf seinen Schriftenladen. Ist alles nur eine Werbeaktion? Man könnte das so sehen – aber selbst dann ist es einer der kreativsten und charmantesten Marketing-Efforts, die es da draussen im Netz so gibt. Eine Website, die zum Spielen und zu fröhlichen Typo-Experimenten einlädt. Genügend Geduld vorausgesetzt, kommt man auch zu ansehnlichen Resultaten, wenn man nicht in der Lage wäre, eine Schrift aus dem Handgelenk zu zaubern.

Kommentar verfassen