Bitte schön, dein Baby!

Kann eine App voraussagen, wie ein noch zu zeugendes Kind aussehen wird? Die Vermutung, dass das Scharlatanerie sein muss, wird durch die Apps Future Baby, Baby Hatch und Make Baby aufs Brutalste bestätigt.

Bei den Recherchen zu meinem Video über die Baby-Apps bin ich auch der App Future Baby begegnet. Sie behauptet, aus Bildern der Eltern das Aussehen des Nachwuchses ableiten zu können.

Ähm, nein.

«Ganz grosser Quatsch!» ist der erste Gedanke. Der zweite Gedanke ist eine leise Hoffnung: Vielleicht funktioniert es ja doch. Das maschinelle Lernen hat in der letzten Zeit grosse Fortschritte gemacht. Algorithmen werden immer schlauer. Wieso sollte es nicht möglich sein, die Gesichtszüge der Eltern zu einem statistisch einigermassen wahrscheinlichen Kindsgesicht zu kombinieren? Klar, der genetische Spielraum ist gross, weswegen es auch Geschwister gibt, die sich fast gar nicht ähnlich sehen. Aber abgesehen davon wäre es witzig zu wissen, wie das Kind gemäss den Algorithmen aussehen müsste.

Ich konnte es mir daher nicht verkneifen: Ich habe die Future Baby-App heruntergeladen und sie mit je einem Foto von meiner Frau und mir gefüttert. Gewisse Ahnungen beschlichen mich, als bei fast jedem Schritt eine Werbeunterbrechung erfolgte – wenn eine App derart von Werbung durchseucht ist, liegt die Vermutung nahe, dass sie ihren Umsatz möglichst schnell ins Trockene bringen will, bevor sie von ihrem Anwender empört gelöscht wird.

Ein dunkelhäutiges Kind mit zwei Bleichgesichtern als Eltern?

Und in der Tat: Die App wurde gleich nach Begutachtung des Resultats in die Wüste geschickt – empört. Auf dem Bildschirm erschien als Vorhersage ein dunkelhäutiges Zwillingspärchen. Nicht glaubwürdig. Meine Frau und ich, wir sind zwei Bleichgesichter. Wie wir mit einem Kind mit Hauttyp VI nach Fitzpatrick beschenkt werden könnten, ist schwer plausibel, zumal die App auch keine Grundlage hat, etwaige Untreue zu vermuten. Nein, es ist ganz simpel: Diese App wählt ein Zufallsbild aus, ohne dass irgend eine Form von Analyse stattgefunden hätte.

Baby Hatch behauptet, das Gesicht zu scannen. Das Resultat ist trotzdem komplett beliebig.

Da ich mich auch als Blogger meinem Informationsauftrag verpflichtet fühle, kam Aufgeben an dieser Stelle nicht infrage. Ich probierte es mit den gleichen zwei Bildern und mit der App Baby Hatch. Diese App betrieb viel Voodoo und behauptete, Haare, Augen, Gesicht und Kopfform zu analysieren. Resultat: Zwar ist der Teint bezüglich Pigmentierung im glaubwürdigen Bereich, aber das Baby weist abgesehen davon kaum Ähnlichkeit mit seinen vermeintlichen Eltern auf.

Ein Durchschnittskind vorauszusagen, ist ebenfalls ein fauler Zauber

Das Bild ist aber immerhin so überbelichtet, dass man nur wenige Details erkennt. Diesem Entwickler muss man eine gewisse Cleverness zubilligen: Ein hübsches Baby, high key fotografiert, sodass es zu sehr vielen mitteleuropäischen Pärchen passen könnte.

Also, noch eine dritte App, Make Baby. Auch die von Werbung durchsetzt. Und obendrein taucht bei dieser während der «Analyse» unvermittelt ein App-Store-Dialog auf. Offenbar versucht die App, den Anwender zu einem In-App-Kauf zu bringen. Ohne dass klar wäre, was dieser beinhaltet und ohne dass ich bewusst auf eine Kaufen-Schaltfläche geklickt hätte. Diese Masche schrammt nach meinem Verständnis haarscharf an Betrug vorbei.

So ein Mutanten-Baby fördert die Freude aufs Kind nicht

Das Resultat dieser App: Absolut gruselig: Es werden Augen und Mundpartie der Eltern auf ein Babyfoto gelegt. Ganz nach dem Motto: Die Augen hat es von der Mama, die Futterluke vom Papa.

Nicht anzunehmen, dass diese App die Vorfreude aufs Kind wirklich steigert.

Fazit: Apple ist stolz darauf, seinen Store rigid zu kuratieren. Apps, die nicht den Ansprüchen nicht genügen, fliegen gnadenlos. Teilweise, ohne dass die Entwickler verstehen, warum sie zur Persona non grata geworden sind und sich ihre App, in die sie Hunderte oder Tausende Arbeitsstunden gesteckt haben, ans Bein streichen müssten (jüngst wurde dieser Fall publik). Da ist es schwer verständlich, warum diese Apps nicht ebenfalls hochkant fliegen.

Man könnte derlei Schrott-Apps auch aus dem Store werfen

Natürlich, man kann mit der Meinungsfreiheit argumentieren. Und damit, dass die Apps in der Kategorie «Unterhaltung» zu finden sind. Nur ist es so, dass sie nicht im geringsten unterhaltsam, sondern sinnlose und unlustige Geldmacherei sind. Apple täte gut daran, sie aus dem Store zu werfen – denn wozu sind die Review und die Eingangskontrolle denn gut, wenn solcher Unsinn in grösserer Zahl durchrutscht?

Oder, wenn das zu sehr nach Zensur riecht, könnte Apple einfach zu jeder App angeben, wie gross die Zahl der Nutzer ist, die die fragliche App innert 24 Stunden gelöscht hat. Das ist eine eindrücklichere Warnung als jede Häufig von Ein-Stern-Bewertungen.

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