Wir schweigen nichts tot

Kommt DAB+ in den Medien so wenig vor, weil die Verlage ihre Eigeninteressen verfolgen? Diese Unterstellung kann ich für meine Redaktion widerlegen.

«Wie könnt ihr Medien dieses unschuldige kleine Radio nur sosehr hassen?» (Bild: Screenshot Youtube)

Letzthin bin ich dem Beitrag Warum die Schweiz beim Umstieg auf DAB+ ganz vorne mitmischt begegnet. Er analysiert die Frage, warum das Digitalradio nicht vom Fleck kommt. Der Text ist interessant und weitgehend sachlich. Mit Ausnahme des folgenden Satzes:

Ebenfalls wird das Thema DAB+ in der Printpresse tunlichst totgeschwiegen. Auch hier sind Konkurrenzgedanken der Verlagshäuser im Spiel.

Das ist eine Behauptung, wie man ihr häufig begegnet: Die kleinen Journalisten der grossen Medien unterdrücken absichtlich Informationen auf Geheiss «von oben». Es gibt geschriebene oder ungeschriebene Direktiven von der Chefredaktion, der Geschäftsleitung, den Inserenten, der Politik, der geheimen Weltregierung. Man denkt an die Lügenpresse der Pegida und an die Thesen der Verschwörungstheoretiker. Nun, natürlich kann ich nicht für alle sprechen – aber zumindest für meine Erfahrungen in einem grossen Medienhaus, bei dem ich seit April 2000 arbeite und das während dieser Zeit Radio- und Fernsehstationen besass.

Keine Schreibverbote. Noch nie!

Und da ist es so, dass mir nie – und mit nie meine ich: kein einziges Mal – verboten worden wäre, über DAB oder sonst irgend ein Thema zu schreiben, weil Interessen des Verlags, der Wirtschaftseliten oder der Overlords tangiert worden wären. Ein solches Verbot gibt es nicht, punkt.

Der Einwand an dieser Stelle könnte nun lauten: Es gibt vielleicht kein explizites Verbot. Aber es gibt die Schere im Kopf, die Journalisten zur Selbstzensur verleitet. Die Schere existiert, keine Frage. Ihr Einfluss ist aber nicht so gross, wie manche denken. Sie greift erst, wenn der Arbeitgeber direkt tangiert ist und man Kritik so harsch üben müsste, dass das der Loyalität zu seinem Arbeitgeber, zu der man schliesslich auch verpflichtet ist, zuwiderlaufen würde.

Mit diesem Zielkonflikt umzugehen, stelle ich mir als unangenhm vor. Glücklicherweise war ich noch nie in der Lage, dass ich damit hätte umgehen müssen. Es ist bei meiner Arbeit lediglich ein-, zweimal vorgekommen, dass mein Arbeitgeber eine neutrale Rolle für einen Text gespielt hat. In den Fällen macht man als Journalist einfach seine Arbeit: Man fragt bei der Pressestelle nach, so wie man es bei jedem anderen Unternehmen tun würde und gibt seinem Arbeitgeber im Text eine Stimme.

Das Thema war Thema

Zurück zum Fall von DAB: Da ist es nämlich nicht so, dass wir nie darüber geschrieben hätten. Im Gegenteil: Wie man leicht ergoogeln kann, hat Kollege Walter Jäggi hier den Ausbau thematisiert und neulich wurde der Ausbau bei der SRG ab Agentur vermeldet. Ich selbst habe den Wechsel von DAB zu DAB+ mit einer grossen Bestandesaufnahme gewürdigt.

Nun kann man darüber streiten, ob das eine ausreichende Würdigung ist. Allenfalls vermeldungswürdig wäre beispielsweise geweisen, dass Radio Stadtfilter neuerdings auch in Winterthur via DAB zu hören ist. Andererseits würden mir das, da ich bei Stadtfilter ehrenamtlich mitarbeite, manche Leute als Schleichwerbung auslegen. Man sieht: Es ist nicht einfach.

Wie auch immer: Die Zurückhaltung der Medien beim Thema des Digitalradios lässt sich auch sehr gut ohne Verschwörungstheorie erklären: Das Thema hat einfach einen relativ kleinen Nachrichtenwert. Es ist, boulevardiger gesprochen, einfach nicht wahnsinnig «sexy».

DAB schleppt sich so dahin

Die Einführung zieht sich nun schon seit Jahrzehnten hin, ohne dass sich viel tun würde. Es fehlen die aktuellen Aufhänger und vieles von dem, was wir schreiben könnten, haben wir auch schon mehrfach geschrieben. Die Publikumsreaktionen sind jeweils eher bescheiden, sodass wir auch nicht unbedingt ein brennendes Interesse bei der Bevölkerung voraussetzen können.

Und schliesslich ist auch die Relevanz per se diskutabel: Denn wenn es so weitergeht, wird das Digitalradio durch überall verfügbares mobiles Internet tatsächlich überflüssig, noch bevor es sich durchgesetzt hat.

Fazit: DAB ist ein klassisches Lückenbüsser-Thema. Es kommt zum Zug, wenn gerade nichts anderes ansteht. Das mag man bedauern und als Schwäche des Mediensystems betrachten. Aber eine Verschwörung ist es nicht. Und übrigens: So verhält es sich auch mit 99,9 Prozent der anderen Themen, die von den Medien «totgeschwiegen» werden.

3 Kommentare zu «Wir schweigen nichts tot»

  1. Ich frage mich, ob das klassische Radio (MW, FM, DAB) durch das Internet überflüssig wird. Ich hatte kürzlich in einem Artikel gelesen, dass der technische Aufwand per Internetradio grösser als bei DAB ist. Beim klassischen Radio geht das Signal nur in eine Richtung, aber wie ist das beim Streaming: Wird nur, wenn ich beim Streaming den Sender anwähle, ein kleines Daten von mir zum Sender gesendet, oder sendet mein Gerät dauernd neue Daten, damit der Sender weiterhin sendet? Im Artikel stand, dass der Akku von batteriebetriebenen Geräten bei Internetradio viel schneller leer ist als beim klassischen Radio.

  2. Ein Hellseher bin ich natürlich nicht, aber ich bin mir trotzdem ziemlich sicher, dass das Internet in fünf, spätestens zehn Jahren das herkömmliche Radio überflüssig gemacht hat. Beim Fernsehen ist es ja schon so – DVB-T gibt es zwar, aber das könnte man problemlos heute abschalten und den paar Leuten, die dann nichts mehr empfangen, eine Wilmaa-Box hinstellen. So liesse sich sicher eine beachtliche Summe sparen. Beim Radio würden die Leute protestieren, wenn man UKW heute abschalten würde. Aber wohl nur deswegen, weil es für den Empfang im Auto im Moment die beste Lösung ist.

  3. Du hast recht. Viele schauen heute Fernseh oder Youtube auf dem Smartphone, also IPTV, also werden in ein paar Jahren viele das Radio streamen und DAB kann man “kübeln”.

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