Verflixt, falsches Paralleluniversum

«Parallels» ver­sprach, an meiner Fas­zi­na­tion für die ersten Folgen der 1990er-Serie «Sliders» an­zu­docken. Doch leider ist da­raus nichts ge­wor­den; der Film ist von Anfang bis Ende miss­ra­ten.

Mit einer gewissen Vorfreude habe ich mich neulich an die Rezeption von Parallels gemacht. Die Vorfreude rührt daher, dass dieser Film vom Plot her annähernd eine 1:1-Kopie von Sliders zu sein scheint.

Wie war nochmal mein Geburtstag?

Sliders (DVDs bei Amazon), ihr erinnert euch, ist eine Sciencefiction-Serie, die von Mitte bis Ende der 1990er Jahre in der Glotze lief: Ein Grüppchen von vier Leuten hüpft von Paralleluniversum zu Paralleluniversum. Der nerdige Physikstudent Quinn Mallory hat eine Maschine erfunden, die das ermöglicht. Doch er hat nicht bedacht, dass es nicht so einfach sein würde, die Ursprungs-Dimension wiederzufinden.

Welche Entwicklung unsere Welt auch genommen haben könnte

Ich finde die Ausgangslage grossartig: Die Idee der vielen Welten ist eine Quelle der Inspiration für Autoren und Fantasten, um sich unendlich mit der Frage auseinandersetzen können, wie unsere Welt aussehen würde, wenn dieses oder jenes kleine Detail in der Menschheitsgeschichte anders verlaufen wäre. Klar, ich weiss, die Rationalisten halten diese Tätigkeit für völlig überflüssig – denn wir leben auf dieser einen Welt und in unserem Universum, und da ist es müssig, über andere Möglichkeiten zu spekulieren.

Was IMHO eine kleinkarierte, sogar bornierte Ansicht ist. Die Vorstellung von Paralleluniversen lässt uns die Geschichte besser verstehen und führt uns vor Augen, dass Entscheidungen von Leuten, die wenigen oder vielen Jahren gelebt haben, unsere Existenz bis heute beeinflussen.

Hätte es besser laufen können? Oder schlechter?

Wie wir heute leben, ist das Resultat aus Abermillionen von Entscheidungen von Menschen und genauso von zufälligen Ereignissen, von denen viele genauso gut anders hätten ausgehen können. Erfindungen hätten ausbleiben oder von jemand anderem gemacht werden können, natürlich dann in leicht anderer Form oder komplett abweichend. Diktatoren, deren Tun man hätte verhindern können oder die unter anderen Umständen noch schlimmer gewütet hätten. Natürlich lauert immer die Frage im Hintergrund, ob wir in einer vergleichsweise guten oder schlechten Welt leben. Und man ist immer auch ganz persönlich betroffen. Denn nicht nur das Schicksal der Menschheit variiert, sondern auch das persönliche Dasein. In manchen Paralleluniversen hätte ich meine kühnsten Träume verwirklicht. Und in anderen würde ich noch nicht einmal existieren.

Die Vorstellung von Paralleluniversen muss einen offenen Geist darum auf ganz vielen Ebenen berühren – privat, weltgeschichtlich und politisch. Ganz besonders politisch, weil ein Paralleluniversum auch eine Experimentierkammer für andere Gesellschaftssysteme sein kann.

Und da kein vernünftiger Mensch im Ernst glauben kann, dass der Vulgärkapitalismus unserer Zeit das Nonplusultra ist, haben wir die Gelegenheit, über eine bessere Wirtschaft und die gerechtere Politik nachzudenken. Das ist der Kern von dem, was Kunst und Kultur IMHO tun sollten. Und eben auch eine starke Motivation, über den Tellerrand hinauszuschauen. Oder kurz und bündig ausgedrückt: Leute, die sich nicht vorstellen wollen, dass alles auch ganz anders sein könnte, machen sich einer Unterlassungssünde schuldig.

«Sliders»: Zu viel Action, zu wenig philosophische Tiefe.

Zurück zu «Sliders»: So grossartig die Ausgangslage, so bescheiden war das, was Quinn Mallory, Wade Wells, Rembrandt Brown und Professor Maximilian Arturo – respektive die Drehbuchautoren daraus gemacht haben. Anfänglich haben sie sich zwar um eine philosophische Tiefe bemüht. Doch damit war sehr schnell Essig.

Der Quotendruck hat «Sliders» unrettbar beschädigt

Bald ging es nur noch drum, in jedem neuen Paralleluniversum eine andere Sorte von Zombies zu bekämpfen. «Sliders» zeigt geradezu exemplarisch auf, wie eine schöne Idee unter Quotendruck degeneriert. Aber heute, mit Netflix und der Möglichkeit, Serien global zu vermarkten, plus einer neuen Serienkultur, könnte ein kreatives Multiversum-Drehbuch Früchte tragen…

Darum also die Vorfreude auf «Parallels». Hier führt ein geheimnisvolles Gebäude in ein anderes Paralleluniversum. Das Geschwisterpaar Ronan und Beatrix, zusammen mit dem Nachbarn Harry (der heimlich in Beatrix verschossen ist), geht in eine dystopische Welt, in der marodierende Banden nach einem suchen, der offenbar eine grosse Bombe in die Welt geschmuggelt und gezündet hat.

Ronan und Beatrix werden mit dem Verdacht konfrontiert, dass dieser jemand ihr Vater sein könnte. Sie können in eine zweite Welt fliehen, wo alles schöner und besser ist als in der Heim-Welt: Fortschrittliche Technologie dominiert. Es gibt komplett transparente Laptops und Smartphones, die zwar cool, aber auch sehr unpraktisch wirken. Die hoch entwickelte Welt hat auch den Vorteil, dass als Zahlungsmittel und Türöffner der Fingerabdruck akzeptiert wird. Nützlich für Leute, die als «Immigranten» über keinerlei Barmittel und Ausrüstung verfügen, die fürs aktuelle Universum geeignet wären.

Von Anfang bis Ende unbefriedigend

Hier finden sie heraus, dass ihr Vater tatsächlich involviert ist. Aber mehr erfährt man vom Plot denn auch nicht. Der Film war offensichtlich (und das bestätigt auch Wikipedia) als Pilot für eine Serie geplant, aus der offensichtlich nichts wurde. So steht nun die Folge einsam und ohne ein befriedigendes Ende in der Landschaft. Was die Freude natürlich schmälert.

Die Frau, die nicht weiss, wann ihr Geburtstag ist, am durchsichtigen Laptop.

Warum aus der Serie nichts wurde? Vielleicht sind Serien über Paralleluniversen doch nicht so mehrheitsfähig, wie ich glaube. Vielleicht war auch einfach die Umsetzung in diesem Fall nicht sehr gelungen. Sie ist etwas zu ambitioniert für das Budget, das ihr zur Verfügung stand. Sie leidet unter ähnlichen Schwächen wie «Sliders»: der Diskrepanz zwischen Faust und Kopf bzw. zwischen Action-Anspruch und intellektueller Herausforderung. Und einige der Dialoge sind auch einfach nur abgründig:

Da offenbart Nachbarn Harry sein Passwort, weil Beatrix den Laptop von Harrys Alter Ego in der neuen Welt knacken will. Er, der heimlich in Beatrix verschossen ist, sagt, leicht peinlich berührt: «My password is Beatrix928.» Sie fragt: «Why 928?» Er sagt: «That’s your birthday». Und wirft damit die Frage auf, ob man sich wirklich mit Figuren beschäftigen will, die noch nicht einmal ihren Geburtstag kennen.

Wie auch immer: In einem anderen Paralleluniversum ist «Parallels» sicherlich rundum geglückt.

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