Hässlich wie die Nacht

Eine schöne Tradition besagt, dass Multimedia-Programme schräge, abgefahrene und optisch mehr als fragwürdige Oberflächen haben müssen. Das gilt für WinAmp genauso wie für den Windows Media Player oder die Podcast-App von Apple.

Das kommt heraus, wenn Microsoft auf lässig macht.

Ich habe Apple neulich wegen des App-Stores kritisiert. Etwas muss man dem Unternehmen aber zu Gute halten: Es hat mit seinen Gestaltungsvorgaben und seiner Geschmackspolizei dafür gesorgt, dass Apps (und im Schlepptau auch viele Desktop-Computerprogramme) ästhetisch ansprechender geworden sind.

Manche Programme waren wirklich eine Zumutung für die Augen

Da könnte man tatsächlich vergessen, wie hässlich Computerprogramme früher waren. Mich hat Mikko Hyppönen, der Chefentwickler von F-Secure (siehe Video unten) neulich daran erinnert. Zum einen mit dem leicht spöttischen Tweet über das Interface eines Umbenennungsprogramms. Und zum anderen mit dem Tweet hier, der sich über WinAmp lustig macht.

WinAmp – das ist tatsächlich wie ein Flashback in eine andere Zeit, wo MP3 noch neu und revolutionär war und Software nicht durch leichte Bedienbarkeit, sondern durch ein Übermass an Funktionen punktete. Und es nicht angedacht war, dass Hinz und Kunz sie würde verwenden wollen.

Trotzdem fragt man sich: WTF?

Klar, denn es ist nicht einfach, Funktionalität und Ästhetik in Einklang zu bringen. Das sind nämlich oft Widersprüche: Was gut aussieht, ist nicht praktisch. Und umgekehrt.

Formlosigkeit follows Dysfunktionalität

Nun kommt es allerdings auch vor – und das erwähnte Bulk Rename Utility ist ein gutes Beispiel dafür –, dass Programme weder das eine noch das andere sind: Weder praktisch noch hübsch anzusehen. Das liegt daran, dass Softwareentwickler in ihrer eigenen Welt leben und keinen Geschmack haben. Und auch nicht immer Lust oder die Fähigkeit haben, sich in die Haut ihrer Anwender zu versetzen.

Bemerkenswert ist nun aber, dass es häufig die Audio- und Videoplayer-Programme sind, die den Vogel abschiessen, was grausliges Screendesign angeht. Das liegt IMHO daran, dass die Entwickler häufig in die Skeuomorphismus-Falle getappt sind.

In die Skeuomorphismus-Falle getappt

Das heisst, sie sind auf die Idee verfallen, mit ihrer Software einen realen Gegenstand nachzubilden: Entweder wird ein Spulentonband daraus, wie bei den ersten Versionen der Podcast-App von Apple selbst – ein wirklich grober Ausrutscher! Oder dann müssten wenigstens Wiedergabeknöpfe wie beim Kassettendeck ins Programmfenster gebastelt werden.

Podcasts vom Spulentonband? Na, dann danke für Obst!

Zweitens sollte eine Software möglichst nicht nach Normalo-Software aussehen – sondern zeigen, wie lässig und extravagant es auf dem Windows-Desktop doch zu und her gehen kann.

Wenn Microsoft hip sein will, kommt es garantiert verkehrt heraus

Ein Auswuchs besonderer Art, der nicht von einem realitätsfernen Einmann-Entwicklerstudio stammt, sondern vom damals führenden Softwarekonzern, ist der Windows Media Player aus Windows XP. Da hat Microsoft alles probiert, um von der Jugend geliebt zu werden: ein nicht-rechteckiges Programmfenster. Keine langweiligen Standard-Controls. Und diese wahnsinnig innovativen Visualisierungen – diese geometrisch über den Bildschirm zuckenden Linien und Kreise, die einem dann doch nach zwei Minuten verleidet waren.

Fazit: Eigentlich keins. Ausser, dass ihr @mikko folgen solltet. Der ist lustich.

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