So schreiben Profis am Tablet!

Editorial ist eine höchst empfeh­lens­wer­te Text­ver­a­rbei­tungs-App für iOS: Sie verwendet Mark­down, und sie hat viele prak­tische Ar­beits­erleich­te­rungen zu bieten.

Editorial war letzte Woche Thema im digitalen Patentrezept zur mobilen Textverarbeitung. Für Freunde des geschriebenen Wortes liefere ich hier gerne eine ausführliche Beschreibung dieser App – auch, weil im Video aufgrund der gebotenen Kürze einige der netten Funktionen unerwähnt blieben.

Die per Markdown angewendeten Textauszeichnungen sind schon beim Tippen sichtbar.

Die App des Berliner Entwicklers Ole Zorn ist für zehn Franken im Apple-App Store erhältlich. Das ist für eine mobile App auf den ersten Blick ein stattlicher Betrag. Andererseits – für eine App, die man nur ab und zu produktiv einsetzt, ist das kein Betrag.

Und mir ist es lieber, wenn der Entwickler schon von Anfang an eine Ansage macht, als mit seltsamen Freemium-Sperenzchen nach dem Herunterladen versucht, mich zu In-App-Käufen zu bewegen. Ich fände es sinnvoll, wenn Apple Testversionen ermöglichen würden, während der man eine kostenpflichtige App eine Woche lang ausprobieren könnte, um sie dann zu kaufen oder zu löschen – aber das ist eine Diskussion, die ich gerne bei einer anderen Gelegenheit führe.


Editorial ist eine Textverarbeitungs-App mit spartanischer, aufgeräumter Oberfläche. Sie nutzt die Markdown-Formatierungssprache, die auch in den Apps MarkdownPad für Windows (Texte schreiben auf die archaische Art) und Elements für iOS (Markdown ist perfekt fürs Tablet) zum Einsatz kommt. Sie ist so simpel, dass man sie auch Leute verinnerlichen können, die beispielsweise nie auf die Idee kämen, von Hand HTML-Dokumente zu tippen.

Markdown ist simpel

Merken muss man sich folgende Dinge:

  • Um Worte oder Textpassagen auszuzeichnen, setzt man die entsprechenden Wörter oder Passagen zwischen Sterne. Ein Stern vorn und hinten macht das dazwischen kursiv. Zwei Sterne ergibt fett, drei Sterne machen etwas fett-kursiv.
  • Bei einem Titel setzt man eine Raute (#) an den Anfang. Eine Raute ergibt einen Titel der Ordnung eins, zwei Rauten rücken den Titel auf die zweite Hierarchiestufe. Und so weiter.
  • Aufzählungen macht man durch einen Stern oder Strich am Zeilenanfang. Nummerierte Aufzählungen durch Nummer und Punkt.
  • Absätze werden durch eine Leerzeile getrennt.

Das wars schon. Natürlich sind auch komplexere Dinge wie Hyperlinks möglich. Diese Codes muss man sich bei Editorial nicht unbedingt merken. Man ruft sie über Snippets ab, die man mit Textkürzeln versieht. llnk ist das Kürzel für einen Hyperlink. Man kann natürlich eigene Snippets festlegen oder auch die vorhandenen Snippets anpassen. Besonders gut gefällt mir das Sippet mit dem Standardkürzel ppp. Es fügt den Inhalt der Zwischenablage ein, wenn man ppp tippt: Einfacher geht es wirklich kaum.

Ansichten

Die grosse Stärke von Editorial ist die Universal-Ansicht: Bei anderen Editoren, beispielsweise dem bereits erwähnten Elements arbeitet man in einer Code-Ansicht und sieht die formatierte Darstellung erst, wenn man zur Voransicht wechselt.

Bei Editorial ist auch die Code-Ansicht formatiert. Man sieht sofort, ob man den richtigen Code erwischt hat und ob einem Struktur und Formatierungen zusagen. Durch Wischen nach rechts erhält man eine Wysiwyg-Ansicht. Die lässt sich über eine CSS-Stildateien formatieren. Man kann auch eigene Stildateien erstellen, sodass man seine Dokumente mit der ganzen Potenz der Cascading Style Sheets zu Leibe rücken kann. Um eine CSS-Datei zuzuweisen, tippt man im Vorschaumodus auf das Menü in der Titelzeile und wählt eine der vorhandenen Stildateien aus oder legt selbst eine an.

Die Vorschau, mittels CSS auch exquisit formatierbar.

Ein weiteres schönes Detail am Interface: Es gibt über der virtuellen Tastatur eine Reihe mit Tasten für die bei Markdown häufig benutzten Sonderzeichen wie # oder *. Das erspart es einem, bei der virtuellen Tastatur zur Sonderzeichenansicht wechseln zu müssen.

Editorial speichert Dateien entweder lokal auf dem Gerät oder tauscht sie mit der Dropbox aus. Die App kann nicht nur zur Bearbeitung von Markdown-Dateien (Endung .md) benutzt werden, sondern auch TaskPaper-Dateien editieren. TaskPaper ist eine Auszeichnungssprache für To-do-Listen, die man von der gleichnamigen Desktop-App kennt. Eine Beschreibung gibt es hier. Kurz zusammengefasst:

  • Um ein Projekt zu erzeugen, schreibt man ein Wort, gefolgt von einem Doppelpunkt: Einkaufsliste:
  • Um eine Aufgabe zu dem Projekt hinzuzufügen, schreibt man einen Bindestrich und dann die Aufgabe dahinter: – Milch
  • Notizen werden als normalen Text erfasst: Aufs Verfalldatum achten
  • Tags (Labels) werden mit @ erzeugt. Tags können Werte haben, die in Klammern hinzugefügt werden: @priorität(1)

Also etwa in der Art:

Einkaufsliste:
- Milch @priorität(1)
- Käse @priorität(2)

Aufs Verfalldatum achten

Listen und Drehbücher verfassen

Editorial markiert Aufgaben automatisch mit einem Kontrollkästchen. Wenn man die Aufgabe abhackt, wird der Tag @done hinzugefügt und als Wertfeld der Zeitpunkt der Erledigung eingetragen. Es gibt Tags, die die Aufgaben farblich markieren: @today färbt sie blau ein, @flagged macht sie rot, @due orange. Man kann in den Einstelllungen im Abschnitt Editor auch eigene Labels und Farben erfassen.

Editorial beherrscht auch die Fountain-Auszeichnungssprache, mit der sich Drehbücher erstellen lassen. Und natürlich kann man auch unformatierte Texte erfassen.

Was die App auszeichnet, sind die vielen kleinen Details: Über das Menü in der Titelzeile lässt sich bei jedem Dokument Zeichen- und Wortanzahl in Erfahrung bringen – das ist wichtig für uns Journis, die wir unsere Texte auf Länge schreiben sollten. Einzelne Kapitel lassen sich über das Dreieckssymbol am linken Rand einer Überschrift einklappen, wodurch man die hierarchische Struktur seines Dokuments besser überblickt. Man kann Vorlagen erfassen, die dann ein Gerüst für neue Dokumente vorgeben. Diese Vorlagen können auch Variablen erhalten und sogar über Python-Scripts automatisiert werden.

Es geht immer noch ein bisschen mehr

Apropos Python-Script: Die App stellt umfangreiche Automatisierungsmöglichkeiten zur Verfügung. Die so genannten Workflows erweitern die Exportmöglichkeiten. Standardmässig rendert man einen Text als HTML oder reinen Text, aber auch der Export als PDF ist möglich, wenn man den entsprechenden Workflow installiert – eine beachtliche Auswahl findet sich unter editorial-workflows.com – oder direkt in der App über einen Script-Editor erstellt.

Das «dark theme» mit dem erweiterbaren Workflows-Menü.

Und was die kleinen, netten Details angeht: Es gibt auch ein dunkles Theme für Leute, die lieber Weiss auf Schwarz anstelle von Schwarz auf Weiss arbeiten. Und es gibt einen In-App Browser, mit dem man während des Schreibens im Web recherchiert und somit nicht zwischen dem iOS-Browser und der App hin und her wechseln muss.

Mit anderen Worten: Wenn diese App nicht 10 Franken wert ist, dann weiss ich auch nicht mehr weiter.

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