Da hat Audible voll daneben gehauen

Die Titelalternative zu diesem Beitrag war: Bugger off, Ender! Denn mit «Ender’s Game» konnte ich gar nichts anfangen.

Audible hat mich in letzter Zeit mit der Empfehlung gepiesackt, ich solle mir doch Ender’s Game anhören. Auf Deutsch heisst die Geschichte Enders Spiel oder laut Wikipedia Das grosse Spiel. Wikipedia bezeichnet die Geschichte ausserdem als Military Science Fiction, was mir hätte eine Warnung sein sollen. Ich mag zwar Science Fiction im Allgemeinen.

Aber das militärische Subgenre kann mir gestohlen bleiben. Mit ein wenig Militarismus kann ich leben – denn sonst hätte ich mir auch Star Trek mit samt der Starfleet ans Bein streichen müssen. Aber die Figuren in Star Trek sind keine Militärköpfe. Im Gegenteil: Kirk setzt sich immer wieder über die Hierarchien hinweg und für Spock zählt sowieso nur der Rationalismus.

Kleiner Brutalo, grosser Brutalo.

Doch ich habe mich davon nicht abhalten lassen. Auch nicht von der Kontroverse um den Autor, der wegen seiner vehementen Ablehnung der Homo-Ehe in die Kritik geraten ist. IMHO ist es Unsinn, wenn man nur Geschichten von Autoren liest, mit denen man politisch auf einer Linie liegt. Ein Werk muss für sich selbst sprechen. Es kann im Idealfall auch deutlich intelligenter sein, als was sein Urheber in politischen Debatten so von sich gibt.

Spoilern ist hier erlaubt

Darum habe ich bei «Ender’s Game» auf eine Coming of Age-Story gehofft, wie ich sie ganz gern mag. Oder zumindest auf eine schöne dystopische Zukunftsvision mit einigen hübsch widerlichen Aliens. Stattdessen entpuppt sich dieses Buch dann doch als unangenehme Pro-Gewalt-Propaganda. Um das zu begründen, werde ich nun ein paar Spoiler in die Runde werfen. Ich tue das ohne schlechtes Gewissen, da ich die Geschichte sowieso nicht empfehlen kann oder will.

Der kleine Held der Geschichte heisst Ender Wiggin. Er ist das dritte Kind in einer Welt, wo nur zwei Kinder erlaubt sind. Er hat einen brutalen Bruder und eine Schwester, die er innig liebt. Er würde gerne Raumkommandeur werden, doch die Chancen stehen scheinbar schlecht.

Als er jedoch einem Konflikt in der Schule äusserst brutal beendet, wird er von Oberst Graff entdeckt und für die Kampfschule rekrutiert (ohne dass die Eltern ein Vetorecht gehabt hätten). Obwohl unterdurchschnittlich jung, setzt er sich dort durch. Er ist ein brillanter Taktiker, aber auch über die Massen brutal. Wiederum löst er einen Konflikt, indem er seinen bereits besiegten Gegner derart niederprügelt, dass der niemals mehr auf die Idee einer Revanche kommen sollte.

Mit Skrupellosigkeit befördert Ender seine Karriere

Doch genau diese Skrupellosigkeit ist es, die Enders Karriere befördert. Er kommandiert bald seine eigene Armee. Mit dieser eilt er in den Trainings von Sieg zu Sieg, obwohl die Übungssituationen immer nachteiliger werden. Mehrere Trainings pro Tag, übermächtige Gegner, aussichtslose Ausgangslagen.

Und trotzdem wendet Ender jedesmal das Blatt. Beim letzten Mal entscheidet er einen Kampf für sich, indem er einen ganzen Planeten in die Luft sprengt und Milliarden seiner Gegner, insektenartige Aliens namens Bugger, dem Tod weiht.

Völkermord? Kann passieren!

Erst da erfährt Ender, dass die in den Kampfräumen mit Null-Gravität ausgetragenen Gefechte keine Simulation, sondern echt waren. Echt war auch der letzte Kampf – und die Milliarden von Bugger sind in Echt gestorben.

Völkermord aus Unwissenheit – das ist ein heikles, aber durchaus interessantes Thema. Ich kritisiere am Buch nicht diesen Plot, sondern wie der Autor Orson Scott Card mit dem Plot umgeht. Ender empfindet am Ende zwar Reue, und versöhnt sich mit den Bugger. Ender sieht sich auch als Opfer, der gar keine andere Wahl hatte, als zu dem zu werden, was er am Schluss ist. Aber das ist eine Bemäntelung, die nicht darüber hinwegtäuscht, dass Ender als positive Figur und als Held gesehen werden muss, der nur getan hat, was getan werden musste.

Aus diesem Grund pflichte ich den Kritikern bei, die dem Buch eine faschistische Ideologie unterstellen. Der Bruder von Ender, der Freiheitsheld, ist eigentlich ein Psychopath. Und Valentine, Enders geliebte Schwester, die hält nicht viel von Demokratie, sondern sagt, dass in einer Gesellschaft das getan werden müsse, was die paar wenigen Leute mit Durchblick für richtig erachten.

Dass die Rekrutenschule im All stattfindet, macht die Sache auch nicht besser.

Insofern muss ich an dieser Stelle leider konstatieren, dass die unsympathischen Ansichten des Autors mir im Fall von Ender den Lesegenuss vereitelt haben. Ender ist ein unsympathischer Held, und abgesehen davon hat das Buch erzählerische Defizite: Die Bugger sind zwar eine ausserirdische Bedrohung, doch sie wirken völlig ungefährlich. Ender selbst ist ein einsamer Held.

Ein schwuler Homophobiker?

Er hat zwar wenige Freunde (und falls mich mein Eindruck nicht täuscht, auch einen leichten Hang zur Homoerotik – und vielleicht sind die grössten Homophobiker tatsächlich selber schwul), aber es gibt keine Freundschaft oder soziale Bande, die als Gegengewicht zur Gewalt dienen könnte. Die schwerelosen Kriegsräume sind zwar gut ausgedacht, aber abgesehen davon hat das Buch keine allzu spannenden Science-Fiction-Konzepte zu bieten.

Als kleines Postscriptum ist anzumerken, dass die Verfilmung von 2013 mit Harrison Ford gewisse Nuancen anders setzt. Der zweite Konflikt, den Ender mit Gewalt löst – das ist die Szene in der Dusche – kann man dort als Unfall abtun. Im Buch war der Ausgang so gewollt, wie er passiert ist: Bonzo de Madrid, der inkompetente, dafür aber umso machohaftere Widersacher Enders, liegt am Boden und steht nicht mehr auf.

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