Der Hype wird zur Farce

Apple hat die Erwartungen ins Unermessliche gesteigert und nichts Handfestes geliefert: Die Keynote war eine Enttäuschung. Was die Apple Watch angeht: In der stecken einige gute Ideen, aber es gibt keinen zwingenden Grund für die Verwendung.

Eine Vorabbemerkung in eigener Sache. Nun wird die Kadenz in diesem Blog trotz meinen guten Vorsätzen etwas zurückgehen. Ich habe mir vorgestern nämlich einen Meisselbruch im rechten Arm zugezogen und bin jetzt mit einem Gips am rechten Arm ausgestattet. Tippen kann und darf ich zwar damit zwar. Aber mit der Ausdauer ist es dann doch nicht so weit her. Die ganze Aktion ist somit eher auf der unerfreulichen Seite zu verorten.

Letzten Dienstag ist der Apfel ordentlich geschrumpft.

Die Keynote war eine bare Katastrophe

Apropos unerfreulich: Das gilt auch für die Apple-Keynote vom letzten Dienstag. Da das Digitalmagazin mit Christian Schmid zu Netflix und MyPrime als Voraufzeichnung ausgestrahlt wurde, wollte ich mich in Ruhe dem Live-Stream hingeben. Die, die es auch versucht haben, wissen: Das war eine blanke Katastrophe. Ausser ein paar sekundenlange Fetzen habe ich nichts zu sehen gekriegt – und war entsprechend dann schon mal in einer solchen Laune, dass ich mir mit ein paar gehässigen Tweets Luft verschaffen musste. (Ich war dann in der Redaktion auch derjenige, der sich auf den Standpunkt stellte, die Apple-Veräppler hätten einen Punkt, während es der Tagesleiter ironisch fand, dass viele der kritischen Beiträge mutmasslich über ein Apple-Gerät abgesetzt worden waren. Das stimmt für meinen Fall. Seltsam finde ich es trotzdem nicht – seltsam wäre, wenn man mit einem Apple-Gerät keine Apple-Kritik produzieren dürfte. Oder nicht könnte, weil ein eingebauter Zensurmechanismus da vor wäre.)

Fehlende Begeisterung und mangelnder Enthusiasmus

Die Stream-Blamage allein hätte ich Apple natürlich nachgesehen. Unverzeihlich fand ich allerdings, dass mich keine der Neuerungen gepackt hat. Meine Spontanreaktion:

Gut, das iPhone ist ein gereiftes Gerät, bei dem der Spielraum für atemberaubende Neuerungen wohl ausgeschöpft ist. Das wäre auch okay – wenn die Apple-Manager im Vorfeld nicht die Erwartungen ins Unermessliche gesteigert hätten. Eddy Cue hat sich laut The Verge zur Behauptung verstiegen, Apple habe «die beste Produkt-Pipeline» seit 25 Jahren.

Demnach hätten die vorgestellten Neuerungen das iPhone, den iPod, das iPad, den iMac und das MacBook Air überflügeln müssen. Und davon kann nun wirklich nicht die Rede sein. Vielleicht ist dieser Eddy Cue einfach ein Dummschwätzer. Vielleicht hat Apple aber auch als Unternehmen die Bodenhaftung verloren.

Es stecken einige interessante Ideen in der Uhr

Was ist von der Apple Watch zu halten? Ich halte Apple zugute, dass sie intensiv über die Uhr nachgedacht haben und vieles besser machen als die Konkurrenz. Die Unterscheidung zwischen Tippen und Drücken ist clever und eröffnet interessante Möglichkeiten – das Scrollen per Krone scheint mir allerdings nicht durchdacht. Ich glaube nicht, dass das wirklich praktikabel ist. Bei einer «richtigen» Uhr ist die Krone auch nur zum Aufziehen und Richten der Uhr gedacht. Dinge, die viel seltener tut als beispielsweise das Scrollen.

Smartwatches haben nichts Zwingendes

Ich werde die Uhr gerne ausprobieren, aber ich glaube nicht, dass sie für mich ein Thema ist. Ich sehe auch weiterhin keinen Anwendungszweck für eine Smartwatch. Mir reicht ein Fitnesstracker (mein Jawbone up ist allerdings schon wieder kaputtgegangen) und ansonsten ist es kein Ding, für die aktuelle Uhrzeit oder das Nachsehen der Notifications das Smartphone aus der Tasche zu ziehen.

Bei der Kosten-Nutzen-Rechnung fällt die Uhr durch – sie will schliesslich aufgeladen, konfiguriert und betreut werden. Die geringen Vorteile, die einem die Uhr liefert, machen diesen Aufwand nicht wett. Das Design überzeugt mich nicht. Wenn ich am Handgelenk einen Gegenstand befestigen wollte, dann tatsächlich einen, der schön ist und mehr ausstrahlt, als ein kurzlebiges Hightech-Gadget – also so etwas wie eine mechanische Uhr, die Beständigkeit vermittelt.

Oder ich trage die Taschenuhr, die ich von meinem Grossvater geerbt habe.

Klobige Siebziger-Jahre-Ästhetik.

Die spannendste Neuerung war für mich ohne Zweifel die Zahlungslösung. Aus ihr könnte etwas werden – auch wenn ich noch nicht überzeugt bin, dass wir den Anfang vom Ende des Bargeldes schon miterlebt haben. Eine einfachere und vielleicht sogar sicherere Alternative zur Kreditkarte und allenfalls zur EC-Karte wäre zu begrüssen. In Apple Pay steckt Potenzial. Allerdings steckte auch in Passbook Potenzial, das bisher noch in keinster Weise ausgespielt wird. Ich habe Passbook noch kein einziges Mal benutzt.

Es nimmt mich Wunder, wie diese Keynote in ein paar Jahren bewertet werden wird. Vielleicht als Wendepunkt – an dem Apple Steve Jobs’ Vermächtnis nicht mehr gerecht werden konnte und der Hype endgültig zur Farce wurde. Die Newsportale tragen daran eine Mitschuld. Dass sie Apple derart hochspielen, ist ungesund. Die Einschaltquoten geben den ihnen recht. Was die Frage aufwirft, warum die Leser Meldungen mit dem Wort «Apple» im Titel geradezu reflexartig anklicken. Den Grund dafür verstehe ich nicht.

Für mich jedenfalls war diese Keynote ein Wendepunkt. Apple ist auf Lebensgrösse geschrumpft und angreifbar. Das ist gut so. Aber es ist auch ein triftiger Grund, die kollektive Hysterie nun deutlich zurückzufahren.

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