Als die Franzosen den Spielemarkt erobern wollten

2001 hatte der französische Internetprovider Wanadoo hochfliegende Pläne: Er hatte das Spiel «Casanova : Le duel de la rose noire» lanciert, das erste einer längeren Reihe, mit der er den globalen Spielemarkt dominieren wollte.

Für meine neue «Ich stöbere in meinem Archiv»-Rubrik habe ich den Screenshot aus dem Spiel «Casanova : Le duel de la rose noire» ausgegraben. Über das hatte ich am 27. August 2001 folgendes geschrieben:

Die Frauen Venedigs warten in ihren Gemächern, um von Casanova erobert zu werden…

Wie es sich für ein Mantel-und-Degen-Spiel gehört, darf der Held sich bewähren, indem er eine heisse Klinge schwingt. Doch würde das Spiel dem historischen Vorbild nicht gerecht, hätte es damit sein Bewenden. Wenn der Spieler möchte, kann er den alten Erotomanen in den «Verführermodus» versetzen, wodurch er sein Ziel mittels Betörungskunst auch über die dahingeschmolzene und somit auskunftswillige Damenwelt erreicht. Also anders als bei Lara Croft und Co. auch ohne Tätlichkeiten. Und das Ziel heisst: Rettung der Stadt Venedig, der Gefahr seitens einer Schurkenhorde droht.


Der Titel ist am 7. August 2001 mit viel Pomp eingeführt worden. Ich wurde mit diversen Schweizer Journi-Kollegen nach Hamburg geflogen, wo wir in einem Hotel von den Vertretern des Herstellers von den ambitionierten Pläne der Franzosen erfahren haben.

Die Franzosen hatten das Ziel, den globalen Spielemarkt zu dominieren

Wanadoo hatte die erklärte Absicht, den Spielemarkt zu erobern und die Spieler inskünftig mit Titel Made in France zu verführen:

Wanadoo ist Frankreichs Bluewin – nur grösser, international tätig und im Begriff, sich neue Tätigkeitsgebiete zu erschliessen. Die Tochter der staatlichen France Télécom ist der führende Internetanbieter der «Grande Nation» und zweitgrösster Provider in Europa. Seit Anfang des Jahres 2000 läuft Wanadoos Angriff auf den Spielemarkt. (…)

Sämtliche Spiele tragen klingende Namen – denn sie sollen publikumswirksam sein. Laut Markus Malti, Brand-Manager im deutschsprachigen Raum, lässt sich Wanadoo allein die Lizenzen für «Hitchcock», «Gremlins» und «Ghostbusters» eine Stange Geld kosten. Malti will keine Zahlen nennen, pflichtet jedoch der Aussage zu, dass Wanadoo «klotze, nicht kleckere». Ein notwendiges Engagement, um sich im hart umkämpften Spielemarkt Gehör zu verschaffen. Entsprechend grosse Marketinganstrengungen betreibt Wanadoo zum Start des ersten grossen Titels «Casanova und das Duell der schwarzen Rose».

An der Veranstaltung hat RTLII gefilmt und es war eine ganze Schar von Schauspielern engagiert, die in Kostümen der Ära auftraten und sich sogar mit dem Florett duellierten. Eine Verführungsszene gab es leider nicht. Aber man konnte die Damen und Herren fotografieren und selbst mit ihnen posieren. Siehe Bild unten.

Der Typ in der Mitte bin nicht ich.

Die Geschichte lehrt, dass nichts daraus geworden ist. Wanadoo Editions war laut Wikipedia in Frankreich einflussreich. Doch 2003 hat sich France Telecom von Wanadoo Editions getrennt. Es gab Entlassungen und das Unternehmen wurde mit Microïds zu MC2 France fusioniert. Davon hat sich 2005 Ubisoft einen Teil geschnappt.

Damals haben Pressereisen noch Spass gemacht

Und wir lernen zwei Dinge. Erstens: Der Spielemarkt ist kein einfaches Gebiet, wo man eben mal mit Ambitionen, Selbstbewusstsein und Geld die Verhältnisse neu ordnet. Und zweitens: Vor 13 Jahren sind Pressereisen noch sehr viel üppiger ausgefallen als heute.

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