Ihr dürft mich Gott nennen

«Godus» von Peter Molyneux ist ein Aufbauspiel fürs iPad, in dem man den Allmächtigen gibt und aus dem Nichts eine Zivilisation aufbaut. Das ist spannend, aber bisweilen auch brutal frustrierend.

Der Herr Peter Molyneux scheint so eine Art Gottkomplex zu haben. Er beschäftigt sich immer wieder mit der Idee, wie man dem Nutzer eines Computerspiels Allmacht verleihen könnte. Schon bei Populous, dem Erstlingswerk, waren Götterfiguren zu steuern. Bei Black & White konnte man sich dafür entscheiden, ein guter oder ein böser Gott zu sein. Beim neuesten Wurf namens Godus steckt dieses Konzept schon im Titel – und auch wenn das Prinzip von Gut und Böse nicht explizit angesprochen wird, kann man auch in diesem Titel ein wohlwollender oder ein strafender Gott sein.

Die Zivilisation hat sich zur Agrargesellschaft hochgeschaukelt.

Natürlich hat Molyneux recht. Ein gutes Spiel versetzt den Spieler in eine übermenschliche Position, ob nun explizit oder implizit. Des Spasses willen wird man nie mit Allmacht ausgestattet. Denn wo wäre die Herausforderung, wenn man jedes Ziel sofort erreichen könnte? Und es ist anzunehmen, dass auch Gott, so es ihn oder sie den geben sollte, keine uneingeschränkte Macht besitzt. Ihr kennt ja das Problem, das so ein Gott hätte – beim Erschaffen eines Steins, der so schwer ist, dass er ihn selbst nicht heben kann.

Der Glaube versetzt Berge. Wortwörtlich

In «Godus» (iPad, Stream, Android folgt), einem per Kickstarter finanzierten Projekt, greift Molyneux die Gott-Idee wieder auf. Als Godus hat man Anhänger zu steuern, die einen «hingebungsvoll» lieben. Über diese soll man die Segnungen der Zivilisation bringen. Sie wollen sich vermehren, weiterentwickeln, Siedlungen bauen und die Welt entdecken.

Als Gott kann ich die Landschaft formen, die Anhänger lenken und fördernd oder strafend eingreifen. Der «Motor» ist der Glaube der Anhänger – der in diesem Spiel tatsächlich Berge versetzt. Wenn man genügend Glaubensreserven hat, kann man die Welt nach seinen Wünschen formen und Schicht um Schicht auf- oder abtragen. So schafft man mit seinem göttlichen Finger eine Umgebung, in der die Anhänger Platz für Häuser und später Siedlungen und Weizenfelder haben. (Später entstehen wahrscheinlich ganze Städte – aber so weit bin ich noch nicht.)

Die Anhänger ihrerseits errichten ihre Gebäude, bestellen die Felder und produzieren in ritischen Handlungen den Glauben, den man als Gott dann in die Welt reinvestiert. Ein recht befriedigender Kreislauf, den man sich so auch für die real existierenden Glaubenssysteme auf unserem Planeten wünschen könnte.

Der Brunnen, der nur dank göttlicher Macht sprudelt.

Beim Aufbau der Welt stösst man in der Erde auf Schätze, die ein bisschen, aber nicht so richtig verborgen sind – über dem Versteck in der Erde steigen nämlich Glitzerwolken auf, die einen mit der Nase auf die richtige Stelle stossen. Die Bodenschätze sind Rohstoffe, mit denen man die Fähigkeiten seiner Zivilisation verbessert und grössere Siedlungen und schnelleres Arbeiten ermöglicht.

Man steigert auch seine Fähigkeiten als Gott: Über die sogenannten Karten, die man mittels der Bodenschätze und auch erarbeiteter Ressourcen freischaltet, verbessert man etwa die Möglichkeiten des Terraformings. Es gibt auch Edelsteine, mit denen man Vorgänge beschleunigt und sich aus kniffligen Situationen befreit. Etwa, wenn einem auf einer Expedition (mehr dazu später) die Mannschaft ausgegangen ist.

Free to Play. Mal wieder

… und natürlich riechen erfahrene Spieler an dieser Stelle den Braten auch schon: Diese Edelsteine kann man auch als In-App-Kauf erwerben: 50 Juwelen für 5 Franken, 1400 für 100 Franken. Genauso, wie mehr Glaube (50T Glaube für 125 Juwelen), eine schnellere Weizenernte (für 26 Juwelen), Bronzezeit-Bodenschätze (16 Juwelen) oder das Eisenzeit-Bodenschatzpaket (48 Juwelen). Und so weiter. Dafür ist das Spiel, wie bei Free-to-Play so üblich, kostenlos. Ich fände es bekanntlich besser, wenn ein Spiel einen Kaufpreis, und dafür keine In-App-Käufe hätte. Bei «Godus» scheint mir die Sache aber bisher relativ fair abzulaufen. Man macht auch Fortschritte, wenn man nicht bezahlt1.

Es regnen lassen und zerstören – beides liegt in der Macht von Gottes Finger.

Nach den Anfängen entwickelt man sich zur Agrargesellschaft, wo der Weizen eine zentrale Rolle einnimmt. Er nährt die Anhänger, die sich ohne ihn nicht vermehren und den Fortschritt nicht vorantreiben wollen. Man macht Platz für Weizenfelder, indem man die verstreuten Gehöfte über das Gottesfingermenü zu Bauernsiedlungen zusammenzieht. Es gibt auch bereits vorhandene Weizenfelder, die man aber ignorieren sollte.

Das Gottesfinger-Menü erlaubt es einem, Macht über die Anhänger auszuüben. Man kann göttliche Gaben spenden und seinen Anhängern einen Brunnen schenken – um den sie sich dann ehrfürchtig und dankbar versammeln. Man baut über das Gottesfinger-Menü die Monumente. Das sind Schreine wie der «Schrein der Schnelligkeit», der die Arbeitsgeschwindigkeit erhöht.

Man kann auch die Ausdauer oder die Kapazität der Wohnhäuser verbessern. Über das Gottesfinger-Menü übt man auch seine göttlichen Mächte aus und pflanzt Bäume oder lässt es regnen. Man hat auch die Macht, Anhänger zu ertränken oder zu zerquetschen und ihre Behausungen zu zerstören. Das klingt brutal, ist aber sinnvoll, wenn die Anhänger einen Platz zugebaut haben, den man anderweitig benötigt.

Rothemden verheizen

Über den Hafen bricht man zu Missionen auf. Diese stehen in bestimmten Abständen zur Verfügung und sind so eine Art Minigames. Eine Zahl Anhänger segelt mit dem Schiff übers Meer und landet bei verschiedenen Orten an, wo es dann darum geht, trotz Sümpfen, Steinbrocken und Bergzügen den Tempel zu erreichen. Dafür gibt es Belohnungen. Bei erfolglosen Missionen verliert man allerdings seine «Red Shirts».

Die Missionen führen die Anhänger zu fernen Inseln, wo sie oft ihr Leben lassen.

Fazit: Eigentlich wollte ich um Spiele wie «Godus» einen weiten Bogen machen. Wegen der Erfahrungen mit «Springfield» (alias Tapped Out»). Ich schlage mich nach wie vor mit den Simpsons, die echte Nervensägen sind, herum. Nach fast neun Monaten Spielzeit besteht dort das Gameplay fast nur noch aus Grinding, indem man halt seine Steuern einsammelt und den Figuren die immergleichen 24-Stunden-Aufgaben zuweist. Das ist bei Simulationen wahrscheinlich normal. Aber trotzdem konnte ich mich noch nicht dazu durchringen, die App vom iPad zu löschen.

Die Gefahr besteht natürlich auch bei «Godus», zumal ich nicht weiss, ob das Spiel ein explizites Ende hat oder viele der Aufbausimulationen irgendwann in einen ausbalancierten Schwebezustand geraten, bei dem sich nicht mehr viel tut und man die Sache auch bleiben lassen könnte. Ich habe eigentlich keine Lust, noch eine Welt zu betreuen, zumal auch «Godus» so gestaltet ist, wenn regelmässig und möglichst diverse Male pro Tag vorbeischaut, um Glauben und Weizen zu ernten und allenfalls neue Abläufe in Gang zu setzen. Wie lästig das bei «Godfinger» war, habe ich bereits ausgeführt.

Entdeckte Karten werden über Bodenschätze freigeschaltet und erhöhen unsere Macht.

Doch «Godus» ist zu liebevoll gemacht, um das Spiel zu ignorieren. Die Optik ist betörend – die geschichteten Landschaften mit ihren Bergen, Bäumen und Meeren, in denen kleine Fische schwimmen. Es gibt Tageszeiten, und manchmal gewittert es auch. Man kann seine Zeit damit verbringen, auch nur den Anhängern zuzusehen.

Jeder einzelne hat einen Namen und geht diesen oder jenen Beschäftigungen nach. Wenn man seiner Welt einen Brunnen spendiert, dann dient der als kultischer Versammlungsplatz, um den sich die Menschen scharen. Wenn man als Gott den Brunnen sprudeln lässt, dann werfen sich die Anhänger auf die Knie, während sich das Licht in allen Regenbogenfarben in der Fontäne bricht – das ist wunderschön gemacht.

Wenn Berge in die falsche Richtung wachsen

Kritik gibt es an der Steuerung. Die Touch-Bedienung hat ihre Maken. Es kommt vor, dass man einen Hügel aufbaut, wenn man ihn eigentlich abbauen will. Das ist ärgerlich, weil es Glaubenspunkte kostet. Auf meiner ersten Mission habe ich auch einen Fehler im Ablauf entdeckt. So sollte ich den «Schrein der Schnelligkeit» einsetzen, um meine Anhänger auf ihrem Weg zur Eile anzutreiben.

Allerdings hatte ich in der Einführung noch gar nicht gelernt, wie man diese «Schreine» (in Form von Karten) einsetzt. So habe ich einige Dutzend Anhänger verheizt, bis ich auf Zufall auf die Lösung gestossen bin. Bei einer anderen Mission weigerten sich die Anhänger, eine Stelle zu passieren, die absolut breit genug gewesen wäre. Das ist frustrierend. Aber das Spiel ist schliesslich auch noch recht frisch.

«Godus» ist schön und ganz schön komplex, und trotzdem oder genau deswegen eine grosse Empfehlung2. Ein Nebenher-Spiel ist es allerdings nicht.

Fussnoten

1) Diese Aussage muss ich nach ein paar Tagen des Spielens relativieren (Nachtrag vom 18.8.2014): Die Bodenschätze werden mit der Zeit seltener und man braucht im weiteren Verlauf des Spiels sehr viele dieser Schätze, um neue Fähigkeiten wie das stärkere Formen der Boden oder das Formen des Meeresgrundes freizuschalten. Auch die Minigames, über die man ebenfalls Bodenschätze erhält, werden zunehmend knifflig – da merkt man den negativen Effekt des Free-to-Play-Modells recht deutlich.

2) Ein paar zusätzliche Kritikpunkte muss ich nach weiteren Spielerfahrungen anbringen (Nachtrag vom 21.8.2014):

  • Die Anhänger sind manchmal zum Schreien doof, indem sie sich bei einer Aufgabe sinnlos verlaufen, obwohl das Ziel zum Greifen nah wäre – etwas mehr künstliche Intelligenz würde nicht schaden.
  • Die Steuerung funktioniert nicht nur unzuverlässig, sondern verhindert manchmal auch das Lösen von Aufgaben. So scheint es mir unmöglich, ein Loch zu graben. (Zumindest ist das bei der iOS-Version der Fall; am Computer soll es möglich sein.) An manche Bodenschätze kommt man aber nur grabenderweise heran.
  • Es ist nicht möglich, die Ansicht zu drehen (die virtuelle Kamera zu rotieren). Das wäre aber für viele Aufgaben nötig: Von dem Standard-Blickwinkel sind manche Bodenschätze nicht klar zu lokalisieren und es ist auch nicht möglich, einen von einer Bergflanke verdeckten Hang so umzuformen, dass die Anhänger ihn passieren könnten. Das ist meines Erachtens nur in einer Betaversion akzeptabel. In einer finalen Version müsste so ein Problem behoben sein.

One thought on “Ihr dürft mich Gott nennen

  1. – Wegfindung ist manchmal wirklich schlecht, mit der Zeit hat man den Dreh aber raus, wie man gute Treppen baut
    – Löcher graben muss man erst mit einer Karte freischalten (dann Doppeltippen)
    – Zum Kamera rotieren mit zwei Fingern im/gegen den Uhrzeigersinn drehen

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