Das Lightrümchen fürs Tablet

Lightroom fürs iPad im Test: Die App ersetzt die Desktop-Version des Bildverwaltungsprogramms nicht, ist aber eine hervorragende Ergänzung, die Arbeitsabläufe über die Geräte hinweg einfach macht.

Ich bin weit davon entfernt, ein Adobe-Fan zu sein. Dieses Unternehmen hatte für meinen Geschmack ein bisschen zu viel Erfolg – Photoshop, InDesign sind nicht nur Meister ihrer Klasse. Sie dominieren ihren Bereich geradezu. Bei der Bildbearbeitung kommt kein Profi an Photoshop vorbei. Und beim Layout werden die Alternativen wie Scribus, QuarkXpress oder Viva Designer von InDesign überragt (siehe Ein Leben ohne InDesign?). Wenn ein Unternehmen so mächtig ist, dann verliert es leicht die Bodenhaftung und den Kontakt zu den Usern. Das scheint mir bei Adobe passiert zu sein. Der Zwang zur Cloud ist der beste Beweis dafür.

Die Sammlungs-Übersicht.

Nun bin ich trotz allem ein Fan von Photoshop Lightroom. Dieses Produkt weckt in mir die Hoffnung, dass Adobe noch nicht ganz verloren ist. Es nimmt die Bedürfnisse der Anwender ernst. Mit dem nondestruktiven Bearbeitungsprinzip hat Adobe die Bildbearbeitung quasi neu erfunden. (Auch wenn darüber gestritten wird, wer mit dieser Idee zuerst war – Apple mit dem kürzlich eingestellten Aperture oder Adobe mit Lightroom. Tom Hogarty von Adobe wollte in meinem Interview im Digitalk 72 damit nicht so richtig herausrücken.)

Companion für den PC

Damit bin ich (immerhin schon am Anfang des dritten Absatzes) beim Thema: Lightroom. Seit April dieses Jahres gibt es nun auch Lightroom Mobile. Das ist eine Art «Companion» für Tablet. Tablet heisst im Moment iPad; doch eine Android-Version ist laut den häufig gestellten Fragen zu Lightroom Mobile geplant. Die App ist kein Ersatz für Lightroom am Computer. Aber sie ermöglicht es, einige Arbeiten am Tablet vorwegzunehmen. Die Idee dürfte sein, den Fotografen die Möglichkeit zu geben, einige Routine-Tasks abzuhaken, während sie noch auf der Piste sind. Wenn sie sich dann nach der Raückkehr an den Computer setzen, sind diese dann bereits getan – denn der Datenbestand wird zwischen dem Tablet und dem Desktop-Computer abgeglichen.

Es gibt allerdings einige Dinge, die man am Tablet nicht erledigen kann – was aber keine Kritik sein soll. Ein Tablet ist den Leistungsansprüchen der ausgewachsenen Lightroom-Variante schlicht nicht gewachsen. Und die Feinarbeiten der Bildverwaltung und -bearbeitung erledigt man auch weiterhin lieber mit PC, Maus und Tastatur als mit dem Finger am Touch-Display. Darum halte ich die grundsätzliche Arbeitsteilung zwischen dem kleinen Lightrümchen und dem grossen Lightroom für gelungen und auch die Zusammenarbeit klappt gut.

Einen Kritikpunkt hätte ich allerdings: Lightroom Mobile gibt es zwar kostenlos im App Store, doch für die Verwendung ist ein Abo für die Creative Cloud (CC) vonnöten (etwa das Fotografie-Abo für 14.04 Franken im Monat). Mit der Kaufversion von Lightroom ist keine Synchronisation möglich. Microsoft handhabt das bei Office ähnlich – die Word-, Excel- und Powerpoint-App speichern Dokumente nur dann, wenn man ein Office-365-Abo hat – und ich finde das in beiden Fällen eine Bevormundung. Es mag sein, dass die Softwaremiete die Zukunft ist. Aber wir sind noch nicht so weit. Und darum sollte man den Kunden die Wahl lassen.

Sync nur via CC

Gut, in dem Fall kann man sich auf den Standpunkt stellen, dass ohne Anbindung an die Cloud die App gar nicht sinnvoll nutzbar ist. Und das stimmt in der Tat. Die Synchronisation zwischen PC und Tablet findet nicht via USB, sondern nur via Internet statt. Aber auch da sollte man den Cloud-Skeptizismus Rechnung tragen.

Wenn man ein Abo hat, richtet man in Lightroom am PC die Synchronisationspartnerschaft mit dem Tablet ein. Dazu klickt man in der Leiste am oberen Rand auf den Link Erste Schritte mit Lightroom Mobile und dann auf Anmelden. Nach der Eingabe von Adobe-ID und Passwort braucht es für den Sync eine Sammlung. Es dürfen auch mehrere Sammlungen sein, aber für den Start reicht erst einmal eine Sammlung. Sie wird über die Leiste am linken Rand angelegt. Ihr werden die Bilder hinzugefügt, die am Tablet zur Verfügung stehen sollen. Eine vorhandene Sammlung wird synchronisiert, indem man sie mit der rechten Maustaste anklickt und die Synchronisierungsoption eingeschaltet wird. Smart-Collections lassen sich nicht abgleichen.

Eine Sammlung für die Synchronisation

Man kann sich fragen, ob nicht der Katalog als Ganzes abgeglichen werden soll. Wenn man sich vor Augen führt, dass viele Leute einen Katalog mit allen ihren Bildern verwenden, dann wird klar, dass das die Kapazität des iPads sprengen würde – und man will auch nicht alle Fotos in die Cloud hochladen, sondern nur die, die man auch im mobilen Zugriff benötigt.

Nach ein paar Minuten taucht die Sammlung am Tablet auf. Über das Symbol mit den drei Punkten wird sie auf der Übersichtsseite verwaltet. Man kann Bilder der Sammlung Bilder aus der Fotorolle des Tablets hinzufügen – sodass auch eine drahtlose Übertragung in den Lightroom-Katalog des PCs möglich ist, wenn man beispielsweise das Kamera Connection Kit verwendet.

Allerdings werden RAW-Dateien momentan nicht unterstützt. Und die Übertragung vom PC auf den Computer erfolgt nicht in voller Auflösung, sondern als Smart Preview-Datei. Eine solche hat laut dem Lightroom Journal eine Auflösung von maximal 2560 Pixel für die lange Kante. Die am Tablet vorgenommenen Änderungen werden am Desktop-PC aber in voller Qualität gerendert – wie man es sich wünscht.

Offline verfügbar

Man kann mit der Offline-Option seine Sammlung am iPad verfügbar machen, sodass sie auch ohne Konnektivität bearbeitet werden kann. Ist eine Sammlung geöffnet, sieht man die enthaltenen Bilder in der Übersicht. Indem man ein Bild antippt, öffnet man es. Durch längeres Antippen erscheint das Kontextmenü. Das erlaubt es, ein bearbeitetes Bild in der Kamerarolle zu speichern. Man kann es auch in einer anderen App öffnen oder teilen oder die Diashow-Funktion starten. Die erlaubt schöne Präsentationen mit oder ohne Überblendeffekt.

Diashau mit Bonusfeatures.

Ist ein Bild ausgewählt, erscheinen in der linken oberen Ecke die Metadaten (durch Antippen kann man ändern, welche Informationen erscheinen). Rechts oben sieht man das Histogramm. Am unteren Rand befindet sich die Werkzeugleiste.

In der linken unteren Ecke wechselt man zwischen Markierung und Bewertung. Ist dieses Werkzeug ausgewählt, wird über eine vertikale Wischbewegung die Zahl der Sterne erhöht oder erniedrigt. Man kann analog auch zwischen markiert, unmarkiert und abgelehnt wechseln.

In der Mitte finden sich vier Werkzeuge. Das erste zeigt einen Filmstreifen, mit dem man zwischen den Bildern wechselt, ohne auf die Übersichtsseite zurückkehren zu müssen. Die zweite ist für grundlegende Farb- und Belichtungskorrekturen zuständig. Konkret für Weissablgleich, Temperatur, Tönung, Tonwert, Belichtung, Kontrast, Lichter, Tiefen, Weiss, Schwarz, Klarheit, Dynamik und Sättigung. Die vierte Leiste dient dem Beschnitt des Bildes.

Effekte per Finger zuordnen.

Fazit: Eine gelungene App, die Lightroom ausgezeichnet ergänzt. Was ich vermisse, ist eine Bearbeitungsmöglichkeit für die Metadaten. Es wäre sinnvoll, wenn man die von der Kamera übertragenen Bilder auch gleich mit ein paar Schlagworten versehen könnte. Auch das Hinzufügen eines Geotags wäre sinnvoll – falls man die Bilder gleich am Ort des Shootings in Lightroom Mobile importiert, könnte man auch gleich mit der aktuellen GPS-Position versehen.

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