Der Freistellungskünstler

Photoshop Mix ist eine App, die wohl nicht die allerhöchsten gestalterischen Ansprüche stellt, aber doch einige lustige Funktionen bietet. Und sie hat auch einen handfesten bildbearbeiterischen Nutzen, zum Beispiel fürs Maskieren von Objekten.

Photoshop Mix ist eine neue Spass-App von Adobe. Sie ist kostenlos fürs iPad erhältlich und ist dazu da, zwei Bilder zusammenzumixen – also zum Beispiel einen buddhistischen Tempel in eine Wüstenlandschaft zu versetzen, so wie das Adobes «Willkommen»-Bildschirm demonstriert.

Links: Der «Willkommens»-Bildschirm ist ein Exempel dafür, wie man es nicht machen darf. Rechts: Mein erster Versuch: Die Meerjungfrau aus Kopenhagen nach Reykjavík zu versetzen.

Dieser «Willkommen»-Bildschirm war der Grund, weswegen ich Photoshop Mix eingangs als Spass-App tituliert habe. Hier stimmen weder die Perspektive noch die Bildidee. Viel schlechter kann eine solche Komposition nicht sein – und dass es bei Adobe keinen Gestalter gibt, der etwas halbwegs Anständiges hingekriegt hat, lässt Schlimmes erahnen: Entweder arbeiten bei Adobe nur Dilettanten oder die App ist so unwichtig, dass man sich nicht die Mühe für einen schönen «Willkommens»-Bildschirm machen wollte.

Gut, vielleicht ist es nur halb so wild und die Komposition zum ersten App-Start ist deswegen eine so offensichtliche Bildmanipulation, dass jeder sogleich kapiert, worum es nun geht. Adobe scheint die App für ein Publikum entwickelt zu haben, das schnell mal Hund und Kind freistellen will, um die beiden auf das Bild eines Sandstrands zu klatschen und das Resultat bei Facebook zu posten. Photoshopperische Manipulationswerkzeuge nun auch für die Amateure – man fragt sich, ob das die Photoshop-Marke nicht beschädigt.

Schnelle Masken

Mein Fazit beim Test war: Nein, tut es nicht. Auch ich habe Freude an der App. Ich bin zwar weit davon entfernt, ein Gestaltungsprofi zu sein. Aber ich habe genug mit Bildbearbeitungsprogrammen gearbeitet, um das exzellente Freistellwerkzeug zu würdigen. Denn um das Subjet aus einem Bild in ein anderes Bild einzufügen, muss man dieses Sujet erst einmal vom Hintergrund lösen. Das nennt sich Freistellen und ist eine überaus mühsame Arbeit. Man zieht mit der Maus eine Markierung um den Bereich, den man später verwenden will, und muss dabei jedes Härchen und jede Ein- und Ausstülpung umfahren.

Entsprechend kann man diese Arbeit entweder für einen Fünfer nach Indien auslagern, mit Geduld selbst erledigen oder die Pro-Werkzeuge von Photoshop beiziehen. Der Zauberstab markiert automatisch zusammenhängende Flächen, sodass man beispielsweise eine mehr oder weniger uniforme Fläche wie den Himmel sehr schnell maskiert hat. Das magnetische Lasso folgt den Konturen im Bild und das Schnellauswahl-Werkzeug versucht, anhand von Farben und Strukturen selbst herauszufinden, welche Teile des Bildes zum gleichen Objekt gehören und welche Hintergrund sind. Photoshop hält entsprechend allein fürs Auswählen ein beachtliches Arsenal an Werkzeugen bereit.

Photoshop Mix macht die Sache nun sehr einfach. Es stellt ein Werkzeug zur Verfügung, das mehr oder weniger wie das Schnellauswahl-Werkzeug von Photoshop arbeitet. Damit wischt man über den Bereich, der aus Bild A ins Bild B eingefügt werden soll. Mein Beispiel mit der kleinen Meerjungfrau, die vor die Hallgrímskirkja verpflanzt wurde, war absolut unkompliziert.

Die Meerjungfrau hat sich in weniger 15 Sekunden vom Hintergrund trennen lassen. (Beide Bilder stammen übrigens von unserer Skandinavien-Reise 2012/13). Es ist möglich, der Auswahl Bereiche hinzuzufügen oder zu subtrahieren. Man kann die Auswahl auch umkehren und mit einer weichen Kante operieren – dann wird nicht hart freigestellt, sondern mit einigen Pixeln Überlappung.

Bildkorrekturen und Effekte à la Instagram

Nebst diesem unter Ausschneiden zu findenden Freistellwerkzeug gibt es auch die Funktion Verbessern, über die man die Belichtung, Kontrast, Klarheit und Sättigung pro Ebene korrigiert. Der Bereich Effekte erlaubt die inzwischen offenbar unverzichtbaren Instagramisierung des Bildes. Über Zuschneiden wird die fertige Komposition auf den gewünschten Ausschnitt beschnitten.

Die weiteren Funktionen: Links die Korrektur der stürzenden Linien, rechts das inhaltsbasierte Füllen, das die Hallgrímskirkja zum Verschwinden bringt.

Als kleine Dreingabe enthält Photoshop Mix unter Weitere auch die Möglichkeit, ein Bild mit stürzenden Linien geradezurichten, Verwackelungen zu entfernen und mittels inhaltsbasierter Füllung zu versehen. Beim inhaltsbasierten Füllen wird der markierte Teil durch den Hintergrund ersetzt. Die Funktion ist dazu da, unerwünschte Objekte aus dem Bild zu tilgen.

Wie das funktioniert, zeigt wiederum die (verschwundene) Hallgrímskirkja: Der Effekt insgesamt ist verblüffend. Die Details überzeugen hier allerdings nicht: Mit der automatischen Markierung wird die Kirche nicht perfekt vom Vordergrund getrennt, da die Kontraste und Konturen dafür zu schwach sind. Für ein gutes Resultat müsste man hier von Hand freistellen. Das geht auch in Photoshop Mix, doch da müsste man für die Präzision einen iPad-kompatiblen Zeichenstift zur Verfügung haben.

Diese weiteren Funktionen werden über Adobes Server ausgeführt, sodass das Bild erst hoch- und dann wieder heruntergeladen werden muss. Diese Funktionen sind nur nutzbar, wenn ein WLAN oder ein unlimitierter Datenplan zur Verfügung steht; ansonsten belastet man sein Datenkonto zu stark.

Via Creative Cloud gelangt das Bild im PSD-Format auf den Computer, wo man in Photoshop die Ebenen mit Maske zur Verfügung hat.

Auch für Profis geeignet

Die fertige Komposition lässt sich als PSD-Datei rendern und via Creative Cloud hochladen und von dort auf den Desktop-PC herunterladen und in Photoshop oder einer anderen Bildbearbeitung weiter bearbeiten. In Photoshop sind beiden Bilder als Ebenen vorhanden.

Die Freistellung erfolgt nicht-destruktiv über eine Maske, sodass sie korrigiert oder verfeinert werden kann. Bei der nach Island verpflanzten dänischen Meerjungfrau hat die Komposition anhand der Originaldateien aus meiner Nikon D700 stattgefunden, die ich via Camera-Kit aufs iPad übertragen hatte. Die PSD-Datei enthält die Originalauflösung und ist 136 MB gross (was auch erklärt, dass das Rendern und Hochladen zur Creative Cloud mehrere Minuten gedauert hat).

Das Bild lässt sich, inklusive Ebenen und Maske, auch in Pixelmator öffnen.

Fazit: Die Qualität der Photoshop-Mixe ist absolut professionell. Obwohl als Spass-App konzipiert, kann man Photoshop Mix auch für ernsthafte Zwecke einsetzen. Die PSD-Datei lässt sich übrigens auch in Nicht-Adobe-Programmen öffnen, beispielsweise in Pixelmator (siehe Bildbearbeitung abseits von Adobe) – und auch hier hat man die separaten Ebenen mit der Maske zur Verfügung.

Mit anderen Worten: Man kommt hier zum Nulltarif an eine der besten Photoshop-Funktionen heran. Und das Freistellen per Finger fühlt sich obendrein viel natürlicher an als die Hantiererei mit der Maus…

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