Twitter hat mich nicht in den Wahnsinn getrieben

Nach acht Jahren Twitter ist es Zeit, eine Bilanz zu ziehen – und auf die Tweets der ersten Stunde aus meiner Bubble zurückzuschauen.

Kein Hosenscheisser mehr. (Bild: Andreas Eldh/Flickr.com)

Vor Kurzem wurde Twitter acht. Das ist zwar noch immer einstellig, aber den Windeln ist der Mikrobloggingdienst ohne Zweifel entwachsen. Unter first-tweets.com kann man nun die ersten Tweets nachsehen. Das ist meiner:

Das ist, so denke ich, recht typisch für die Gattung der ersten Tweets. Man wusste nicht, was man von dem Dienst erwarten soll. Das zeigt auch der erste Tweet von @bloggingtom, der immerhin zwei Jahre früher als ich dran war:

Lustig übrigens auch, wie damals noch die Gewohnheit herrschte, ohne Personalpronomen gleich mit dem Verb loszulegen – was sowohl Bloggingtom als auch ich praktiziert haben. Das stammt wohl daher, dass man seinen Benutzernamen am Anfang in die Aussage miteinbezogen hat. Also nicht «Ich will wissen, was dieser Quatsch hier soll», sondern «MrClicko überlegt sich gerade, …»

Uns war allen ein bisschen unwohl dabei, so direkt von sich zu schreiben. Twitter fragte zwar «what are you doing?», aber es war uns unangenehm, das so direkt und mit mit einem Inbrünstigen «Ich tue das!» zu tun. Darum haben wir uns in eine Art Illeismus geflüchtet. Eine Zurückhaltung, die aus heutiger Sicht fast schon putzig anmutet.

Zurück zu den berühmten ersten Malen:

Mein Arbeitskollege Rafael Zeier war ein halbes Jahr früher dran als ich, und er hat den Zweck von Twitter sofort glasklar erkannt:

Auch Kollege Jan Rothenberger ging gleich in die Vollen:

Er hat sich aber inzwischen erholt. Twitter ist tatsächlich ein interessantes Phänomen. Ich wusste am Anfang wenig mit dem Dienst anzufangen und habe ihn nach der Anmeldung geflissentlich ignoriert. Die Wende kam für mich, nachdem ich (das inzwischen eliminierte) Twitter-Widget in der rechten Spalte dieses Blogs eingebunden hatte.

Ich konnte damit sehr einfach Informationen auf mein Blog bringen – per SMS selbst im Ausland und ohne Roaming. Das hat mich seinerzeit überzeugt, wie ich im Beitrag Wir Webvögel zu meinem Twitter-Start erläutert habe.

Die Hürden für spontanes Publizieren wurden massiv gesenkt

Diese einfache Möglichkeit der Wortäusserung hat mich beeindruckt, weil es die Hürden für spontanes Publizieren massiv senkte. Ich brauchte keinen Computer, kein Internet, sondern nur ein «dummes» Mobiltelefon. Das war ein weiterer Riesenschritt, nachdem ich 2007 ein CMS auf meine Website aufgespielt hatte und ab da per Browser publizieren konnte. Vorher brauchte es, man erinnert sich, einen Webeditor und den FTP-Upload!

Wenn ich auf meine fünf Jahre Twitterei zurückblicke, dann hat sich bei mir gerade wegen Twitter ein Bewusstseinswandel vollzogen. Vor der Twitter-Ära lagen nicht nur die technischen Hürden fürs Publizieren im Web höher. Ich hatte tatsächlich Hemmungen, mich mit irgend einer Banalität zu Wort zu melden. Das Internet ist schliesslich global – man kann von überall darauf zugreifen (ausser aus der Türkei) – da muss man doch auch etwas Bedeutsames und Gehaltvolles von sich geben!

Die Unterschiede zwischen privater und öffentlicher Kommunikation schwinden

Diese Wahrnehmung hat sich offensichtlich gewandelt. Dass das Publizieren so leicht geht, führt tatsächlich auch dazu, dass die Unterschiede zwischen privater und medialer Kommunikation schwinden. Das lässt sich auch schön bei den Podcasts beobachten – wo wir beim Digitalk anno 2006 noch mit einem Heidenrespekt an die Sache herangegangen sind, haben die Leute bei den typischen Quassel-Podcasts keine Skrupel, auch ohne jegliche Vorbereitung fünf Stunden lang in ein Mikrofon zu schwatzen. Das ist nicht per se schlecht, weil es einen umittelbareren Zugang zu vielen Themen bietet, als der medial gefilterte und verpackte. Aber es sollte auch nicht überhand nehmen.

Und apropos Digitalk: Interessant wird auch sein, die alten Digitalk-Sendungen zum Thema Twitter und den sozialen Medien noch einmal nachzuhören – und zu sehen, wie sich die Wahrnehmung über die in den letzten gut fünf Jahren gewandelt hat.

Kein Wahn-, aber ein bisschen Irrsinn

Fazit: Twitter hat mich nicht in den Wahnsinn getrieben. Bei den Empfängern bin ich mir nicht so sicher – denn es ist tatsächlich so, dass Twitter auch bei mir von mangelnder Impulskontrolle Gebrauch macht und mich immer wieder dazu bringt, irgendwelchen halbgaren Quatsch ins Netz abzulassen. Im Idealfall ist es lustig, oft genug aber auch nicht. Aber sei es drum. Dafür stehen in diesem Blog nur kluge Dinge. 😉

Und hier noch ein paar famous first words:

Zwei Bemerkungen noch dazu: Die Reihenfolge ist Zufall. Und all die wichtigen Leute, die hier in der Liste fehlen, sollen bitte nicht beleidigt sein – keine böse Absicht, ich hatte dann bloss irgendwann keine Lust mehr, weitere erste Tweets nachzuschlagen… 😉

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