Todgesagte leben länger

Da hatte ich geglaubt, DOS, das famose Betriebssystem aus den 1970er- und 1980er-Jahre sei endgültig Geschichte. Was für ein Trugschluss! Mehrere Leser haben mir erklärt, wie sie es weiterhin im Einsatz haben.

Und zwar auch in der angeblich so schnelllebigen Zeit. Ich hatte vor einiger Zeit in der Kummerbox das Disk Operating System für tot erklärt. Exitus wegen 64-bit. Und weil heute doch wirklich niemand mehr Lust hat, sich mit diesem Urgestein herumzuschlagen.

Dachte ich. Dann schrieb Roberto und teilte mir mit, dass er seinen Silver-Reed Exp 550-Drucker gern weiterverwenden würde. Der funktioniert bestens unter DOS, wenn in die Config.sys-Datei der Treiber eingetragen wird. Oder in die Autoexec.bat.

So genau weiss ich das nicht, denn an diese beiden Dateien hatte ich schon jeden Gedanken verdrängt. Um was für einen Drucker es sich beim Silver-Reed-Drucker handelt, kann ich nur spekulieren. Ich habe nur Schreib- und Strickmaschinen zu diesem Stichwort gefunden.

Statt zu twittern, hat man früher an diesem Ding herumgebastelt …

Doch Roberto war nicht der einzige mit einem derart gestrickten Anliegen. Paul schrieb mir:

Traditionsgemäss steht unsere Familie Spalier mit einem Banner auf Zebrapapier (vierzig Zentimeter auf drei Meter). Dazu verwende ich ein uraltes DOS-Programm Print, das solche Banner mit 30 Zentimeter hohen Buchstaben, zum Beispiel mit Ballonen ergänzt, erstellen und ausdrucken kann.

Sogar ein Foto der Familie mit dem selbst gemachten Banner war mit dabei. Offenbar von einem Impact-Drucker mit Endlosdruckpapier produziert.

Sympathisch und ärgerlich gleichzeitig

Solche Anfragen sind gleichzeitig hochsympathisch und auch etwas ärgerlich. Einerseits schätze ich es, dass Leute wie ein unbelehrbarer Fels in der Brandung des Fortschritts stehen und sich einen Deut darum kümmern, dass viele beim Stichwort DOS einfach nur den Kopf schütteln.

Andererseits fällt mir die undankbare Aufgabe zu, in Sachen DOS den Spielverderber zu spielen. Klar, ich weise auf VMs wie DOS-Box hin – aber mit meinen Vorschlägen, wie man das famose Programm Print ablösen könnte, stosse ich nicht unbedingt auf Gegenliebe.

Einzelne Blätter zusammenkleben mag Paul nicht, und Dienstleister, die «Banner in unterschiedlichen Längen und Breiten auf diverse Materialien drucken und auch Ausgabe in Farbe bzw. fotorealistische Motive ermöglichen», findet er zu teuer und nichts für seine Selbst-ist-Mann-Einstellung.

Roberto will nicht von DOS lassen

Was Roberto von meinen Hinweisen hält, kann man in seiner Antwort zwischen den Zeilen lesen:

Für Ihre ausführliche Antwort danke ich Ihnen. Ich werde weiter suchen, denn es muss einen Weg geben, denn MS DOS ist im Windows Vista und Windows 7 enthalten. Mit dem Befehl Ausführencmd.exe erscheint DOS auf dem Bildschirm. Auch beim Befehl Ausführensysedit erscheint auf dem Bildschirm Autoexec.bat und Config.sys. Die Programmierer von Windows Vista und Windows 7 haben diese Dateien auch programmieren müssen!

Ich war dann wohl eher schulmeisterlich als einfühlsam, als ich in meiner Antwort den Unterschied zwischen einem Betriebssystem und dem Kommandozeileninterpreter cmd ausgeführt habe, der eben nicht das Gleiche ist wie COMMAND.COM, und darauf herumgeritten bin, dass ab Windows XP DOS-Programme über die NT Virtual DOS Machine (NTVDM) ausgeführt werden. Und NTVDM eben Kompatibilitätsprobleme hat, wie hier nachgelesen werden kann…

Die Avantgardisten von heute sind die Fortschrittsverweigerer von morgen

Mein Nachfolger wird das dereinst dann sicherlich besser machen, wenn ich als alter Hase darauf bestehe, meine Windows-Metro-Apps mit einem Gerät auszuführen, dass die Multitouch-Bedienung längst hinter sich gelassen hat und zu meiner Vergangenheit nicht mehr kompatibel ist…

One thought on “Todgesagte leben länger

  1. Na ja – ich erinnere mich noch gut daran, wie wir tagelang am autoexec.bat und am config.sys rumgebastelt haben, um bestimmte Programme in das Himem oder das Extended Memory zu laden, um im Hauptspeicher genug Platz zu haben, damit dann bestimmte Applikationen reibungslos und ohne Absturz liefen. Und Absturz hiess damals eben noch “der ganze Compi stop halt” und nicht bloss ein einzelnes isoliertes Programm, dass man mit CTRL ALT DEL abschiessen und dann neu starten konnte. Doch wer heute DOS in den Mund nimmt, erntet halt vielfach nur verständnisloses Kopfschütteln. Ich wünsche mir die alten Tage sicher nicht zurück und ich hoffe, dass auch in meinem Freundeskreis die Lebenszyklus-Enden einzelner fossiler Harware-Einheiten endlich erreicht (oder gewisse Farbbänder für Nadeldrucker definitiv nicht mehr aufzutreiben sind). Aber solange ich in Fachgeschäften noch Endlos-Zebrapapier mit Randlochung sehe, stellen sich bei mir immer noch die Nackenhaare auf… 🙂

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