Das Kind in mir will den Surface Pro zum Malen

Ich hatte die Gelegenheit, das Surface Pro von Microsoft zu testen. Fazit: Ein guter Anfang, aber noch viel Verbesserungspotenzial.

Von Microsoft habe ich Surface-Pro als Testmodell erhalten und auch pflichtschuldig im Tagi besprochen. Wie im Beitrag erwähnt, gefällt mir das Gerät grundsätzlich. Mir persönlich ist es zu teuer und für ein Tablet doch zu schwer und zu unhandlich. Ich würde es als Laptop nutzen, das einige nette Zusatzfunktionen hat, aber dann doch eher zum (hier getesteten) Surface RT greifen, wenn mir an einem Windows-Tablet gelegen wäre.

Dennoch hat mir der Test mit dem Surface Pro Spass gemacht. Das Gerät macht einen soliden und sorgfältig verarbeiteten Eindruck. Es gibt Kleinigkeiten, die positiv ins Auge stechen – beispielsweise der USB-Anschluss am Ladekabel: Man kann mit diesem somit nicht nur den Surface Pro aufladen, sondern auch jegliche Gadgets, die sich per USB aufladen lassen. Und es ist etwas Wert, dass man einen vollwertigen Windows-PC in den Händen hält. Allein weil man schnell einen USB-Stick anschliessen und einige Daten rüberkopieren kann.

Ein bisschen Sauglattismus geht immer: Der Wursttest von Christoph Hugenschmidt (inside-it.ch) an der Surface-Pro-Medieninformation von Microsoft Schweiz.


Ich war nun gespannt, wie es ist, die Desktop-Oberfläche per Touch zu bedienen und endlich einmal Clickomania mit dem Finger zu spielen. Das Spiel ist schliesslich prädestiniert für diese Spielweise. Die Premiere indes überzeugt nur halb. Die Feldchen sind einfach zu klein für den durchschnittlichen Finger. Man trifft ständig daneben, und das schmälert den Spass massiv. Wenn man das Spielfeld mithilfe der Bildschirmlupe auf zweihundert oder dreihundert Prozent vergrössert, spielt es sich wunderbar. Es sieht dann aber leider etwas gar pixelig aus.

Den Desktop zu befingern, ist unbefriedigend

Die Bedienung der Desktop-Oberfläche per Finger ist nicht unmöglich, aber doch sehr unbefriedigend. Die für die Maus ausgelegten Bedienelemente sind mit dem Finger schwer zu treffen, und darum leuchtet es ein, dass Microsoft mit dem Surface Pro einen Stift mitliefert. Dieser Stift erhöht die Treffsicherheit markant, sodass man relativ gut mit den Fenster-Anwendungen arbeiten kann. Flüssig arbeitet man dennoch nicht.

Das liegt daran, dass Poweruser eben auch sehr oft per Tastatur interagieren: Man drückt schnell die Escape-Taste, um ein Dialogfeld zu schliessen, wechselt mit Alt + Tabulator zwischen den Anwendungen, drückt Enter, um einen Dialog zu bestätigen. Das alles funktioniert nicht, sodass ich ein ständiges Gefühl der Behinderung hatte – und mir mehrmals ernsthaft überlegen musste, wie ich den Vollbildmodus des Browsers wohl verlassen könnte, wo ich doch keine Escape-Taste zur Verfügung hatte.

Eine virtuelle Tastatur ohne Escape-Taste?

Es gibt natürlich eine virtuelle Tastatur. Doch die hat zum einen keine Escape-Taste. Und zum anderen muss sie immer erst via Taskleiste aufgerufen werden. Sie erscheint nicht automatisch, auch dann nicht, wenn man zum Beispiel in ein Texteingabefeld tippt.

Man gelangt zur Erkenntnis, dass man normale Windows-Anwendungen nur dann per Touch, wenn man keine Wahl hat. Microsoft würde dazu wohl bemerken, dass für die Touch-Steuerung schliesslich die Metro-Umgebung erfunden worden sei (wobei Microsoft das Wort «Metro» nicht in den Mund nehmen würde). Das stimmt natürlich auch. Aber dennoch zeigt das Beispiel, wie einen die hybride Natur von Windows 8 immer wieder in seltsame und unbefriedigende Nutzungsszenarien hineinlaufen lässt.

Die Handschriftenerkennung ist top

Dank des Stifts hatte ich Gelegenheit, wieder einmal die Handschrifterkennung von Windows zu testen. Die darf und muss man loben: Eine Trainingsphase wie früher braucht es nicht mehr, und dennoch werden (in meinem Fall) selbst schluddrig geschriebene Wörter einwandfrei erkannt. So lange ich Alltagsvokabular verwendet habe, war die Erkennung meiner Handschrift komplett fehlerfrei. Bei Wörtern, die nicht im Wörterbuch stehen, sieht es jedoch ganz anders aus: Beim Schreiben mit verbundenen Buchstaben machte die Texterkennung aus «Clickomania» den Salat «dideomzmia». Wenn man die Buchstaben einzeln schreibt und sich etwas Mühe gibt, wird auch «Clickomania» richtig erkannt. Die Zufriedenheit mit der Texterkennung hängt somit sehr vom Schreiber ab. Wer eine Schreibschrift und Spezialvokabular benutzt, wird nicht glücklich werden. Leute, die Druckbuchstaben bevorzugen, können die Handschrifterkennung auch produktiv einsetzen.

Die Handschriftenerkennung kommt auch mit meiner Klaue zurecht.

Man kann mit dem Stift nicht nur schreiben und die Oberfläche bedienen, sondern auch zeichnen und malen. Und das macht wirklich Spass, weil der Stift ein sehr präzises Arbeiten ermöglicht. Das hat laut Microsoft mit der sehr dünnen Displayoberfläche zu tun: Man kann den Strich genau da ansetzen, wo man möchte – das klappt viel besser als beim iPad. Bei Apples Tablet treffe ich oft einige Pixel daneben, wenn ich versuche, eine Linie zu verlängern. Beim Surface landet der Strich dagegen genau da, wo ich ihn haben will.

Dünnere, dickere und dunklere Striche

Nicht nur das: Der Stift ist auch drucksensitiv. Drückt man stärker, gelangt mehr Farbe aufs virtuelle Zeichnugsblatt, als wenn man sanft ans Werk geht. Man erhält, je nach Zeichenwerkzeug, so einen breiteren oder dunkleren Strich. In der Fresh-Paint-App arbeitet man mit Farbstiften und Ölfarbe, ohne dass man sich dabei bekleckern würde. Mich hat dabei, ungelogen, eine kindliche Freude gepackt… So drauflosgemalt habe ich in meinem Leben noch nie (weils als Kind, als ich gemäss meiner Mutter Tonnen von Farbe und Papier verbraucht habe, eben noch keine Undo-Taste gab).

Mein erstes Meisterwerk. (Erhältlich zum Höchstgebot.)

Wirklich schön gelöst, wie bei dieser App sich die Farben vermischen, wenn man sie auf der Palette anrührt – sogar den Pinsel kann man sich mit einer Fremdfarbe verunreinigen, wenn man über eine nicht getrocknete Farbschicht malt. Darum gibt es auch den Ventilatorknopf, mit dem man die vorhandene Farbe augenblicklich übermalbar macht. Mit ihren verschiedenen Papieren und der Möglichkeit, ein Foto zum Abpausen zu hinterlegen, ist diese App ein echtes Highlight.

Ein guter Anfang

Fazit: Es gibt Punkte wie das Gewicht und der Preis, die gegen den Surface Pro sprechen. Für ernsthaftes Arbeiten sind viele User mit einem Ultrabook besser bedient. Und doch ist das Gerät für Microsoft als die neue «Devices and Services»-Company ein guter Anfang. Wie erwähnt: Das Kind in mir will den Surface Pro zum Malen. Der Kickstand (der ausklappbare Ständer) ist sehr praktisch und toll gefällt mir der Stereosound, bei dem das iPad beispielsweise nicht mithalten kann. Das ergibt in Kombination mit dem Full-HD-Display eindrückliche Momente beim Filmkonsum…

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