Und das alles nur für einen Screenshot!

Wer kennt Claris Works noch? Hier gibt es jedenfalls ein brandneues Bildschirmfoto zu sehen, das ich mit viel Aufwand zur Illustration eines Kummerbox-Beitrags angefertigt habe.

Apple hat, man weiss und bedauert es, hat kein Geschichtsbewusstsein. Alte Zöpfe werden radikal abgeschnitten. Mac OS X Lion führt keine PowerPC-Programme aus, weil die Rosetta-Emulation aus dem System verschwunden ist. Auch die Classic-Umgebung gibt es nicht, weil sie nur bei PowerPC-Rechnern zur Verfügung stand und Snow Leopard das Ende der PowerPC-Ära eingeläutet hat. Die gute Seite ist, dass Apple die Leute zwingt, alte Programme aus dem Verkehr zu ziehen. Und das fördert den Fortschritt. Wie man bei Microsoft sieht, ist der Zwang zur Rückwärtskompatibilität eine massive Innovationsbremse.

Im Fenster: Mac OS 7.5.3 aus dem Jahr 1995, emuliert auf einer 68030-CPU, die zum Beispiel im Macintosh IIcx eingebaut war.

Trotzdem: Manchmal muss man alte Programme zum Laufen bekommen. Ich hatte mir neulich den Floh ins Ohr gesetzt, einen Screenshot von AppleWorks bzw. ClarisWorks zu machen. Es ging um eine entsprechende Kummerbox-Anfrage, die ich auch standesgemäss bebildern wollte. Aber AppleWorks läuft auf neuen Macs nicht mehr und ausserdem war meine Absicht, das Programm in seiner natürlichen Umgebung, sprich, unter dem klassischen Mac OS zu zeigen.

Ausgraben oder emulieren

Wenn man keinen alten Mac ausgraben will, dann greift man zu Basilisk II. Diese wunderbare Software emuliert einen 68K-Macintosh. Das sind die Maschinen, die Apple bis zum Umstieg auf die PowerPC-Prozessoren verwendet hat. Irgendwann anfangs der 1990er Jahre ist Apple von der Motorola 68000er-Prozessor-Familie auf die durch Apple, IBM und Motorola spezifizierte PowerPC-CPU-Architektur umgestiegen. Basilisk II emuliert nur den Motorola-Prozessor, nicht den PowerPC. Man kann nur bis und mit Mac OS 8.1 ausführen. Für OS X-Versionen bis Tiger müsste man zu PearPC greifen.

Man kann Basilisk II unter Windows, Mac und Linux betreiben. Ich habe zuerst einen Versuch mit Windows 7 gewagt, allerdings ohne Erfolg. Der Start bricht mit der Fehlermeldung «The CD-ROM driver file ‹c:/windows/system32/drivers/cdenable.sys› is missing» ab. Da gibt es ein Kompatibilitätsproblem zu neueren Windows-Versionen und obendrein zu Windows in der 64-bit-Variante. Da kommt man nicht weiter.

Der Weg per Google führt zum ROM

Ich habe mich darum darauf verlegt, Basilisk II auf meinem MacBook unter Mountain Lion in Betrieb zu nehmen. Ich habe mich dabei grob an diesem Tutorial orientiert. Man findet hier auch die ROM-Datei – sie aufzutreiben ist die schwierigste Hürde. Sie enthält den nichtflüchtigen, hardware-verdrahteten Speicher der alten Macs, und da er urheberrechtlich geschützt ist, darf man ihn offiziell nicht via Internet vertreiben, sondern nur aus einem eigenen Mac auslesen. Da man, wenn man einen eigenen Mac hätte, sich den ganzen Zirkus mit Basilisk II sparen könnte, ist das ein Dilemma, das man klassischerweise damit löst, dass man… naja, ihr wisst, worauf ich hinaus will.

Man braucht nun viererlei: Den Basilisk-II-Emulator, das ROM, das Basilisk-GUI zur Konfiguration des Emulators und eine virtuelle Festplatte mit einem startbaren Betriebssystem.

Wenn man Basilisk II unter Mountain Lion betreiben will, ist es wichtig, die neueste Version zu nehmen, denn nur sie läuft unter Lion und Mountain Lion. Die neueste Version ist BasiliskII-10.6 und BasiliskIIGUI-10.6, 10 October 2011 (siehe hier).

Den emulierten Mac konfigurieren.

Man startet also das GUI (BasiliskIIGUI). Unter Volumes trägt man die Laufwerke ein, die man zu verwenden gedenkt. Im oben erwähnten Tutorial ist beschrieben, wie man eine Installations-CD mit OS 7.6.1 brennt. Das war mir zu mühsam. Ich bin darum auf das Tutorial unter emaculation.com ausgewichen und habe mit der einfachen System 7 Boot Disk angefangen. Diese trägt man unter Volumes ein. Dazu habe ich über Add ein Laufwerk eingerichtet, das als virtuelle Festplatte dient. Ich habe es 40 MB gross gemacht, was allerdings zu klein war, weswegen ich noch ein zweites 40-MB-Laufwerk brauchte. Besser, man geht gleich auf 80 oder 100 (vergrössern lässt sich das Drive nachträglich nicht). Unter Graphics/Sound stellt man die Auflösung ein. Ich habe, in Reminiszenz an die alten Zeiten 600 auf 800 Pixel gewählt.

Startbereit!

Das wars schon: Der virtuelle Mac ist bereit und startet nach einem Klick auf Start, und zwar blitzschnell. Die Bootdiskette enthält allerdings nur ein sehr abgespecktes System. Für die Installation des ausgewachsenen Systems habe ich mir bei Apple das System 7.5.3 besorgt. Man findet es im Beitrag Older Apple software downloads. Man benötigt alle 19 Disketten-Images (System_7.5.3_01of19.smi.bin bis System_7.5.3_19of19.part.bin), die man einzeln herunterlädt. Klickt man auf die bin-Dateien, worauf sie entbint werden. Die Schwierigkeit ist nun, diese Installationsdateien in die virtuelle Umgebung hineinzubekommen. Dazu muss man die heruntergeladenen Dateien in die virtuelle Festplatte hineinbekommen. Aber wie?

Und da sind sie wieder: Die gehassten System Extensions!

Ich bin dafür auf Windows und auf den HFVExplorer ausgewichen: Dieses Programm erlaubt es, HFV-Partitionen zu bearbeiten und kann auch mit den virtuellen Abbildern umgehen. Es müsste aber auch ohne Windows gehen, und zwar mittels FuseHFS (siehe auch hier). Ausprobiert habe ich diesen Weg aber nicht.

Lesenden Zugriff erhält man übrigens wie folgt: Man klickt mit der rechten Maustaste auf die Datei mit dem Festplattenimage, wählt Ablage > Informationen, klappt den Bereich Öffnen mit aus, selektiert über das Dropdown-Menü Anderem Programm, gibt DiskImageMounter an (zu finden unter /System/Library/CoreServices/DiskImageMounter.app) und klickt dann aufs Image. Dieser Weg wäre für den Datenaustausch praktisch, doch leider kann Mac OS seit Version 10.6.0 die HFS-Laufwerke nur noch lesen, nicht mehr beschreiben.

Nachdem man es geschafft hat, die Installationsdisketten auf die virtuelle Festplatte zu verfrachten, dann startet man die emulierte Maschine und lanciert die Installation von OS 7.5.3 aus der Emulation heraus.

Und am Ziel: Der Screenshot kann erstellt werden.

Nach der Installation von OS X 7.5.3 wird der Datenaustausch übrigens einfacher: Die Festplatte des Hosts erscheint als Unix auf dem Desktop des emulierten Systems und kann lesend und schreibend benutzt werden. Man erstellt somit am einfachsten ein Alias zu einem passenden Ordner im Lion-Dateisystem, und kann danach Daten einfach hin und her schieben.

Und am Ziel

Also, letzter Schritt: AppleWorks bzw. ClarisWorks installieren. Apple bietet die letzte Version von AppleWorks zum Download an. Diese Version läuft aber leider nicht unter OS 7.x, sondern erst ab OS 8.x. Daher habe ich nach ClarisWorks 4 Ausschau gehalten. Man findet diese Version bei macintoshgarden.org und wenn man keine Seriennummer haben sollte, lässt sich auch die per Google aufspüren.

Tja, das wars: Nun konnte ich meinen Screenshot machen.

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