Google schwächelt beim Kerngeschäft

Die Tops und Flops, die Kollega Zedi und ich fürs Daily Digital in der iPad-App des Tagesanzeiger auserkoren haben – Teil 1. Bei den Webseiten und Blogs haben dieses Jahr die solide Recherche und innovative Ideen überzeugt. Die Schnäppchenjägerei, Jekami-Bewertungen und der Suchmaschinen-Primus dagegen enttäuschten.

Die gestrenge Jury hatte es nicht einfach, in dieser Kategorie die wirklichen Tops und Flops herauszufiltern. Herauskristallisiert hat sich dann jedoch, dass solides, verlässliches Schaffen belohnt gehört – und Google abzustrafen ist. Wegen Nachlässigkeit beim Kerngeschäft.

Webseiten-Top 1: Instapaper

Marco Arment hat mit Instapaper (instapaper.com) einen Webdienst geschaffen, der eine riesengrosse Hilfe darstellt, wenn es darum geht, die Informationsfluten des Internet in Griff zu kriegen. Über ein einfaches Bookmarklet legt man Blog-Beiträge, Artikel und andere Webinhalte in ein Archiv, um diese dann später zu lesen. Ein Bookmarklet ist ein kleines Stück JavaScript-Code, das man wie ein normales Lesezeichen in seine Adresssammlung bzw. in seine Favoriten legt. Klickt man darauf, wird keine Seite aufgerufen, sondern eine Aktion ausgeführt – im Fall von Instapaper ein Beitrag ins Archiv gelegt.

Gesammelte Webbeiträge lassen sich via Instapaper in einem Rutsch ausdrucken.

Die gesammelten Beiträge können in einem Rutsch und in lesefreundlicher Form ausgedruckt werden oder als E-Book auf den Kindle oder das iPad geschickt werden. Natürlich gibt es auch eine Instapaper-App und viele Dritthersteller-Apps verfügen über eine Instapaper-Funktion, beispielsweise Twitter, Instacast oder Flipboard.

Webseiten-Top 2: GigaOM

Mehr als vier Millionen Webnutzer lesen pro Monat gigaom.com. Damit gehört die 2006 gestartete Site zu den populärsten Blogs überhaupt. Das ist zu einem grossen Teil das Verdienst des Gründers und senior writer Om Perkash Malik, der mit seinen sachlichen, unaufgeregten Analysen eine verlässliche und besonnene Stimme in der Blogosphäre ist.

GigaOM.com: Verlässlich und wenig aufgeregt.

Webseiten-Top 3. Kickstarter

kickstarter.com ist eine Online-Plattform, mit denen sich Jungunternehmer projektbezogen finanzielle Mittel beschaffen können. Man spricht auch von crowdfunding: Die Gemeinschaft finanziert viel Versprechende Ideen aus den Bereichen Technologie, Indie-Film und -Musik, Gastronomie, Kunst und Mode. Die Idee: Die Community kann Projekte ebenso gut (oder besser) finanziell anschieben, als das Banken tun.

Kickstarter bringt viel versprechende Projekte in Fahrt.

Auf Kickstarter werden nur vollständig finanzierte Projekte realisiert – wenn man Geld spricht, wird dieser Betrag nur dann fällig, wenn innerhalb der vorgegebenen Zeit die ganze erforderliche Summe zusammenkommt. Das verringert das Risiko für die Geldgeber, weil der Mechanismus ausgereifte und breit akzeptierte Projekte fördert. Es werden auch nur konkrete Projekte finanziert, keine wohltätigen Zwecke oder wolkigen Pläne.

Ein bekanntes, realisiertes Projekt ist CineSkates Camera Sliders – das ist eine Art Skatebord für elegante Kamerafahrten, um das sich die Jungfilmer reissen. In nicht einmal zwei Wochen sind über 200’000 Dollar zusammen gekommen.

Unter ferner liefen

techmeme.com) ist ein populärer Aggregator im Bereich der Tech-News. Dank guter Algorithmen schaffen es häufig die wirklich interessanten Geschichten auf die Vorderseite. Darum hat Techmeme für viele Nutzer Digg.com abgelöst. Die News-Website hatte 2010 durch ein verunglücktes Software-Update viel Kredit verspielt.

Webseiten-Flop 1: Groupon, MeinDeal & Co.

Die Rabatt-Websites haben 2011 geboomt und expandiert. Groupon kam in die Schweiz, und bietet für 24 Städte tägliche «deals», also Sonderangebote mit grossen Rabatten an.

Die Daily-Deals-Websites: Rabatt für Wellness und Schönheits-Operationen.

Die Angebote sind oft repetitiv, beliebig, schnell ausverkauft oder wenig attraktiv. groupon.ch offeriert für Winterthur und Uster oft die gleichen Angebote wie für Zürich, und vielen Leuten stösst sauer auf, dass Groupon oder Deindeal auch Brustvergrösserungen und Fettabsaugen zu Schleuderpreisen anpreisen. Für die Anbieter der Rabattaktionen zahlt sich die Sache oft nicht aus – denn wenige Kunden kommen nach der Schnäppchenjagd wieder.

Webseiten-Flop 2. google.com

Google.com, der Internetgigant, hat in seinem Kerngeschäft 2011 nicht überzeugt. Die Suchmaschine leidet nach wie vor unter den Manipulationsversuchen der SEO-Leute. Das Kürzel steht für Search Engine Optimization und bezeichnet Massnahmen, mit denen Websites sich im Ranking nach oben tricksen.

Google hat aber auch selbst kein gutes Händchen bewiesen. Google Instant, die automatische Anpassung der Suchresultate während der Eingabe hat sich nicht bewährt.

Google bringt die Instant-Suche und eliminiert dafür den Plus-Operator.

Ausserdem hat Google auch die Suchalgorithmen verändert. In den Resultaten sind oft auch Seiten vorhanden, die nicht alle eingegebenen Begriffe enthalten. Und Google schafft den nützlichen Plus-Operator ab. Man muss Worte nun in Anführungszeichen setzen.

Webseiten-Flop 3. Jekami-Bewertungsplattformen

Websites wie yelp.com, itaste.com, tripadvisor.com, spickmich.de bewerten Restaurants, Hotels und Lehrer. Das Rating-Prinzip gibt es auf theeroticreview.com sogar für Callgirls – und alle diese Websites haben eins gemeinsam: Ihnen fehlt ein verlässlicher Standard, ein geeichtes Mass für die Einschätzungen durch die User.

Es gibt keine Fact-Checks und kaum Barrieren gegen Manipulationen. Häufig sind die Betreiber der Bewertungs-Websites auch käuflich und entfernen gegen Bezahlung schlechte Kritiken. «User generated content» ist eben so objektiv, wie es den Anschein macht, und darum sind diese Websites im Schnitt nicht hervorragende Ratgeber.

Selbst Callgirls sind vor Bewertungen nicht sicher.

Unter ferner liefen

Ende 2010 wollte Facebook die Kommunikation neu erfinden und hat allen Benutzern eine E-Mail-Adresse zugeteilt. Diese wird kaum genutzt und ist, wie übrigens auch Facebook Deals, ein ziemlicher Flop…

Wem das nicht genug Tops und Flops waren – das Team des Digitalmagazins von Radio Stadtfilter, dem ich anzugehören die Ehre haben, hat ebenfalls Tops und Flops und Auf- und Absteiger des Jahres erkoren.

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