Virtuelle Plattenteller beackern

Fürs iPad, das iPhone, Mac OS X und Windows existieren Programme, die das Herz jedes Möchtegern-Disk-Jockeys höher schlagen lassen: Scratchen, beatmixen, crossfaden oder loopen – alles kein Problem!

Disk-Jockey ist einer jener Berufe, die in der Idealvorstellung deutlich glamouröser sind als in Realität. In der Fantasie peitscht man als DJ ein begeistertes Publikum über einen hypnotischen Musikteppich und ist der heimliche Star der Nacht. In Realität hat man als DJ elende Arbeitszeiten, hebt sich an schweren Plattentaschen einen Bruch und leidet an zu viel Lärm, zu viel Alkohol und zu viel Rauch – wobei letzteres dank Rauchverbot immerhin passé ist.

Da ist es kein Beinbruch, wenn die DJ-Leidenschaft ein Wunschtraum bleibt. Man kann sie nämlich am iPad oder Mac bestens ausleben. Für iOS existiert die Tap DJ-App: Sie stellt zwei Plattenteller und ein kleines Mischpult zur Verfügung und wurde in diesem Blog bei einer früheren Gelegenheit vorgestellt: Siehe Beitrag «Aw-yeah!».

Scratchen

Eine tolle DJ-Anwendung für Mac OS X nennt sich Virtual DJ. Sie bietet auf dem grösseren Bildschirm mehr – und vor allem recht frei konfigurierbare – Bedienelemente. Auch bei dieser Anwendung sind die beiden Plattenteller zentral. Man bestückt sie mit beliebigen Sounds von der Festplatte und kann natürlich auch hier scratchen, das Tempo anpassen, crossfaden oder Titel parallel laufen lassen. Die Geschwindigkeit des laufenden Tracks lässt sich über zwei Schiebregler anpassen, wobei die Kurvendarstellung des Tracks dynamisch angepasst wird. Dank dieser Anzeige kann man Titel manuell beat-mixen – sprich, bei durchgehendem Rhythmus überblenden. Die Software beherrscht auch den automatischen Beatmix. Dazu klickt man bei Teller 2, während Teller 1 läuft, auf die Sync-Taste, und schon wird der Pitch (die Wiedergabegeschwindigkeit) dem Rhythmus des laufenden Stücks angepasst. Klickt man auf die Wiedergabetaste, werden die Beats beider Tracks synchron abgespielt. Und wer es ganz perfekt machen will, dreht am Key-Knopf, um eine Feinjustierung der Tonhöhe des Stücks vorzunehmen.

Unter dem Plattenteller – den man natürlich auch per Maus abbremsen und in beide Richtungen drehen darf – steht bei den Bedienelementen auch die Cue-Taste zur Verfügung. Mit ihr setzt man im Track eine Marke, zu der man durch einen Klick auf den Play-Button jederzeit zurückkehrt.

Musik mixen per Maus oder am Touchpad mit Virtual DJ.

Als Hobby-DJ muss man natürlich auch die Loop-Elemente links davon beherrschen. Sie wiederholen einen Teil des Tracks ab dem Klick auf In unendlich. Über die Tasten 1, 2, 4, 8, 16 und 32 legt man fest, wie viele Tackte dieser Loop enthalten soll. Die Intelligenz der Software macht es möglich, dass die Loops – wenn man sie geschickt wählt, nahtlos erfolgen, d.h. der Übergang vom Ende zurück zum Anfang nicht hörbar ist. Klickt man auf Out, setzt die Software die Wiedergabe am Ende des Loops normal fort. Auf diese Weise kann man das Intro eines Stücks, den Refrain oder eine markante Stelle beliebig strecken.

PFL

Pro virtuellem Plattenspieler steht eine PFL-Taste zur Verfügung. PFL steht für «Pre Fader Listening» und die Taste erlaubt das Vorhören eines Stücks, während auf dem Master-Mix das zweite Stück läuft. Unter Sound-Einstellungen, zu erreichen über die Config-Taste, stehen diverse Konfigurationsmöglichkeiten zur Verfügung. Hat man einen Rechner mit zwei Soundkarten oder einem externen USB-Soundgerät, kann man das Signal zum Vorhören und den Mastermix separat in Stereo ausgeben. Fehlt diese Möglichkeit, tut es auch ein einfacher Y-Stecker: Er macht aus dem Stereosignal zwei getrennte Mono-Kanäle, die auf Kopfhörer und auf den Verstärker geschickt werden. Ein Y-Klinkenstecker für den Kopfhörerausgang ist für 1,48 Euro bei Amazon erhältlich.

Virtual DJ steuert auch diverse Eingabequellen, beispielsweise Plattenspieler mit Timecode.

In der unteren Hälfte des Bildschirms stehen die unverzichtbaren Samples zur Verfügung, die man per Mausklick oder durch Drücken einer der F-Tasten in die Stücke mischt und die bei Bedarf auch automatisch geloopt werden. Auch das Live-Aufzeichnen von Samples ist möglich. An dieser Stelle gibt es auch die Verwaltung der Effekte und die Möglichkeit, den Mix mitzuschneiden.

Broadcasten

Es gibt die Software auch in kostenpflichtigen Versionen mit zusätzlichen Funktionen. Virtual DJ Boradcaster stellt zusätzlich Playlists und Mikrofon-Support bereit.

Tap DJ für 1 Franken für iPad, iPhone und iPod Touch im App-Store.

Virtual DJ Free (kostenlos) für Mac OS X und Windows unter
www.virtualdj.com

Die Mac-Version ist auch im Mac-App-Store erhältlich.

PS: Der Autor dieses Beitrags war in den 80er Jahren im Schaffhauser Jugendkeller gelegentlich als Amateur-DJ anzutreffen; damals natürlich noch vinyl-spielend. Er hat ausserdem Virtual DJ Broadcaster auf Radio Stadtfilter eingesetzt, womöglich aber nicht unbedingt zur Erbauung der Hörerschaft.

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