Ähm, EM?

Derzeit besteht wieder die Gefahr, als fussballunberührter Sonderling ins Offside zu geraten. Wie man das verhindert – und warum man wegen der Fussball-Europameisterschaft als vernünftiger Mensch trotzdem keine Euphorie entwickeln sollte.

Es ist ja nun so, dass der Countdown für die Fussball-Europameisterschaft nur noch zweistellig ist. So um die siebzig Tage dauert es noch. Und dann, ja dann, versinkt die Welt um mich in kollektiver Euphorie. Der Ball ist rund und meine Seele schwarz.

Ich mache, um nicht aufzufallen und als fussballunberührter Sonderling allzu weit ins Offside zu geraten, halbherzig mit. Als Journalist habe ich die Fähigkeit, aufgeschnappte Kommentare so in Gespräche einzuflechten, dass meine Ignoranz ausreichend kaschiert ist. Das bewahrt mich davor, von der SVP zu einem Integrations-Nachhilfekurs aufgeboten zu werden. Es verbessert meine soziale Position und meine Eingliederung in die fussballnärrische Gesellschaft, aber nicht unbedingt meinen Gemütszustand.

Also warum die Begeisterung? Glücksgefühle können, was mich anbelangt, auf verschiedene Weise entstehen.

Wieso soll ich wegen elf Männern in Wallung geraten?

Mannschaftsspiele führen jedoch keine herbei. Wieso soll ich in Wallung geraten, wenn elf Männer auf einem grünen Rasen herumrennen und weitere elf Männer auf der anderen Seite das Gleiche tun?

Dass mich die Sache kaltlässt, ist aber nur die harmlose Seite der Medaille. Wieso, frage ich mich, müssen Adolf Ogi, Sepp Blatter und andere Fussballeuphoriker immer so tun, als ob Fussball die Welt von allem Bösen erlösen könnte? Dieses pseudoreligiöse Getue geht mir seit Jahr und Tag auf meine beiden Bälle. Was, bitte schön, soll gut sein an dieser bedingungslosen Loyalität, die von den Anhängern einer Mannschaft implizit eingefordert wird?

Was hat Zinédine Zidane je für uns getan?

Loyalität und Treue sind schöne Eigenschaften, aber bedingungslos soll man seine Kinder lieben und nicht irgendwelche überbezahlte Primadonnen, deren ganzes Talent in den Beinen steckt (und nicht im Kopf, wenn man Zinédine Zidane mal ausklammert). Wieso soll ich Anhänger der Schweizer Nationalmannschaft sein? Was haben die je für mich getan? Mir fallen auch Gründe ein, für die Deutschen zu sein. Oder die Griechen.

Und hält es eigentlich niemand für nötig, die Massenhysterie infrage zu stellen, die zu erzeugen offensichtlich das Ziel solcher Massenanlässe ist? Da sollte ein normaler Mensch sich doch nicht auch noch wohlfühlen. Ich kriege schon den Koller, wenn am Sonntagnachmittag der Coop beim Stadttor overcrowded ist. (Aber es gab schon Leute, die fanden, das sei mein Problem.)

Es kommen schwere Zeiten auf uns zu

Leute, es kommen schwere Zeiten auf mich zu. Die guten Serien, mit denen man sich über Wasser halten könnte, sind alle ausgelaufen. Es wird mir wohl nichts anderes übrig bleiben, als mir die Zeit mit Bloggen zu vertreiben. Und damit kommen auch schwere Zeiten auf Euch zu, die ihr das alles dann lesen müsst. Wenn Ihr das abwenden wollt, sagt mir, wo die fussballfreie Insel liegt…

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